: Was ist ein Delikt?
■ Staatsanwaltschaft weiß nicht, was am Bundeswehr-Gewaltvideo strafwürdig ist
Schweinfurt (taz) – Verteidigungsminister Volker Rühe will „derartige Perversionen“ wie das Video aus Hammelburg nicht „dulden“ und erstattete Strafanzeige gegen die sieben Darsteller des Films. So wurde das Band zum Fall für Oberstaatsanwalt Peter Hofmann in Schweinfurt. Er soll ermitteln, ob es als Beleg für rechtsradikales Handeln taugt.
Das Video umfaßt 42 Minuten. Teilweise spielen die Soldaten originalgetreu Szenen aus Sketchen der britischen Komiker von Monty Python nach. Am Ende der Erschießungssitutation etwa liegt ein „toter“ Soldat auf dem Boden. Auf seinem Bauch liegt ein Schild mit der Aufschrift „Werbung“. Anschließend hält einer ein Paket Schokogebäck in der Hand. In der ausgestrahlten Sat.1-Version fehlt dieser Teil der Szene.
Eine schwierige Situation für den Staatsanwalt. Rühes Strafanzeige vom 10. Juli umfaßt die Tatbestände der Verherrlichung von Gewaltdarstellung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, Unterschlagung von Übungsmunition sowie versuchten Betrug. Derzeit läßt die Staatsanwaltschaft von Kripobeamten in den Heimatorten der Soldaten prüfen, welchen Strafvorwurf sie ihnen machen kann.
Eine Gewaltverherrlichung nach Paragraph 130 Strafgesetzbuch (StGB) muß mit Vorsatz betrieben worden sein. Die mildere Form der Fahrlässigkeit kennt das StGB nicht. Direkt verunglimpft wurden die Symbole des Staates nicht dargestellt. Möglicherweise könnte es ausreichen, daß die Soldaten in Uniform schlechthin als Symbol der Republik im Video zu sehen sind. Schwierig wird es auch, einen versuchten Betrug nachzuweisen.
Was waren die Motive zum Verkauf des Videos? Etwa den Dienstbetrieb der Bundeswehr insgesamt zu diskredetieren? Die Unterschlagung von Übungsmunition: In Hammelburg sei es üblich, Übungsmunition morgens an die Soldaten auszugeben und den Rest abends wieder einzusammeln, sagt Peter Rohmann, Pressesprecher am Standort. Niemand prüfe, wie viele Patronen jemand verschossen habe. Wie soll bewiesen werden, daß die Verdächtigen zu Unrecht geschossen haben?
Oberstaatsanwalt Peter Hofmann läßt Anhaltspunkte sammeln. In sechs Wochen will er geprüft haben, was als strafbar geltend gemacht werden kann. Doch er ahnt, wie die Ermittlungen ausgehen könnten: „Es ist offen nach allen Seiten.“ Möglicherweise stellt er am Ende fest, daß das Verfahren eingestellt werden muß – mangels Beweisen oder wegen Geringfügigkeit. roga
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