: Neonazis formieren sich bei Konzerten
■ Verfassungsschutz: Neonazi Heise einer der Drahtzieher
Die deutsche Neonazi-Szene formiert sich immer stärker im Umfeld von Skinhead-Konzerten. Nach Erkenntnissen des niedersächsischen Verfassungsschutzes sind diese Veranstaltungen zu einem Bindeglied zwischen den organisierten Rechtsextremisten und der unorganisierten Szene geworden. Die Kontakte dehnten sich auch auf das europäische Ausland aus. „Dabei ist es unheimlich, daß die Teilnehmer immer jünger werden“, sagte Verfassungsschutz-Präsident Rolf-Peter Minnier am Wochenende in Hannover.
Konzerte mit einschlägigen Bands – auch aus Großbritannien und Schweden – würden äußerst konspirativ vorbereitet. Eine führende Rolle spielt dabei der niedersächsische Neonazi Thorsten Heise aus Northeim. „Meist werden die Räume von nicht eindeutig erkennbaren Neonazis gemietet, die als Anlaß Familienfeste wie runde Geburtstage oder Hochzeiten nennen“, sagte Minnier weiter. Gastwirte sollten beim Vermieten ihrer Säle deshalb genauer nachfragen, um welche Art von Veranstaltung es sich handelt.
Über Mailboxen oder per Handy mobilisierten der niedersächsische Drahtzieher Heise und andere Gesinnungsgenossen ihre Klientel und erreichten Zulauf von mehreren hundert oder gar mehr als 1 000 Fans pro Konzert, sagte Minnier. Während im vergangenen Jahr bundesweit knapp 70 der lautstarken Treffen stattfanden, waren es im ersten Halbjahr 1997 bereits 51, meist in Ostdeutschland.
Neben dem Eintrittsgeld bieten die Konzerte nach Angaben des Verfassungsschutzes eine weitere Einnahmequelle: Der massenhafte Verkauf von CDs mit nationalsozialistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Inhalten sichert einen Gewinn von rund 20 Mark pro Scheibe. Einer der führenden Köpfe auf Bundesebene bei diesen Geschäften sei der aus Lingen stammende Jens Hessler.
Die Verfassungsschützer beobachten, daß die Teilnehmer das Musikerlebnis, das Gefühl der Gemeinschaft und die reißerischen Texte „in sich aufsaugen wie Schwämme“. dpa
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