: Zwei Pfennige für den Ausstieg
Wirtschaftsforscher: HEW-Ausstieg aus der Atomenergie ist machbar, kostet aber. Senat könnte dies über höhere Strompreise regeln ■ Von Achim Fischer
Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) müßten bei einem vorzeitigen Atomausstieg mit jährlichen Gewinneinbußen in Millionenhöhe rechnen. Das geht aus einem Gutachten hervor, welches das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) heute in seinem Wochenbericht veröffentlicht. Trotz der Mehrkosten sei der Ausstieg für die HEW ohne Verluste zu finanzieren – etwa durch höhere Strompreise für Haushalte.
Das DIW mit Sitz in Berlin untersuchte im Auftrag der HEW, wie sich ein Ausstieg aus der Atomenergie bis Ende 2004 auf die Bilanzen des Konzernes auswirken würde. Ergebnis: Das Geschäftsergebnis würde sich im Jahr 2005 vor Steuern um 170 Millionen Mark, 2010 sogar um 220 Millionen Mark verschlechtern.
Mit diesen Mehrkosten sei der Ausstieg nicht „wirtschaftlich vertretbar“, gestehen die Wirtschaftsforscher ein. „Entscheidend ist deshalb, welche Möglichkeiten dem Unternehmen zur Kompensation dieser zusätzlichen Kosten zur Verfügung stehen.“Dabei sei „vor allem an eine Anpassung der Stromtarife zu denken“. Preiserhöhungen für industrielle Großverbraucher seien aber „mit erheblichen Risiken verbunden“. Das DIW legte die Mehrkosten deshalb auf die Tarifkunden um – überwiegend private Haushalte.
Ergebnis: Die Strompreise würden unter Einbeziehung der Inflation um zwei bis drei Pfennige pro Kilowattstunde steigen. Mehrkosten für private Haushalte: 13 bis 25 Mark im Jahr 2005. Diesen PreiAufschlag müßte die Hamburger Wirtschaftsbehörde genehmigen. Fazit der DIW: „Da der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg den Ausstieg aus der Kernenergie politisch unterstützt, dürfte die Preisaufsicht einer Umsetzung dieses Zieles vermutlich nicht entgegenwirken.“
„Der Senat hat sich mit diesem Gutachten noch nicht beschäftigt“, reagierte Senatssprecher Cord Schellenberg. Die HEW dagegen schon – vor einem Jahr. Damals nämlich legte das DIW seine Ergebnisse dem Konzern vor. „Die Zahlen sind heute schon nicht mehr aktuell“, schimpfte Unternehmenssprecher Johannes Altmeppen. Nur ein Beispiel: Das DIW rechnete mit Kohlekraftwerken als günstigste AKW-Alternative. Vor wenigen Wochen aber nannte HEW-Chef Manfred Timm Gaskraftwerke die kommende Konkurrenz für Atommeiler (siehe taz vom 5.7.1997).
Ursache des Widerspruchs: Das DIW kalkulierte mit ständig steigenden Gaspreisen auf der Basis von 1994. Stattdessen aber sind die Preise gesunken und sollen, nach Erwartung der HEW, weiter sinken, soweit, daß schon in einigen Jahren Gaskraftwerke trotz der Neubaukosten billiger zu betreiben wären als AKWs. Davor wollen die HEW – Strompreise hin oder her – nicht aussteigen. „Die Unternehmenspolitik wird in unserem Vorstand gemacht“, so Altmeppen, „und nicht im Senat“.
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