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Wieder Bomben gegen den Frieden

■ Jerusalem erschüttert das schwerste Attentat seit Netanjahus Amtsantritt: 13 Tote und 157 Verletzte auf einem Marktplatz. Palästinensergebiete sind erneut abgeriegelt. US-Beauftragter Dennis Ross verschiebt Vermittlungsreise

Jerusalem (rtr/AFP) – Beim schwersten Bombenanschlag seit dem Amtsantritt des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sind gestern im jüdischen Teil Jerusalems 13 Menschen getötet worden, darunter die beiden Selbstmordattentäter. Nach Polizeiangaben zündeten die beiden Araber auf einem belebten Markt innerhalb weniger Sekunden zwei Bomben. 157 Menschen erlitten teilweise schwerste Verletzungen.

Der Anschlag auf dem Mahane-Jehuda-Markt, eine der geschäftigsten Gegenden der israelischen Hauptstadt, ereignete sich wenige Minuten nach Mittag. Die beiden Attentäter betraten nach den Worten von Israels Polizeichef Assaf Hefez den Markt offenbar in einem Abstand von etwa 40 Metern. Hefez sprach von einer bislang beispiellosen Koordination, um möglichst großen Schaden anzurichten. Nach Erkenntnissen des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet hatten die Attentäter sich als Geschäftsleute getarnt und die beiden 10-Kilogramm-Bomben in Aktenkoffern auf den Markt geschmuggelt.

Am Tatort bot sich ein Bild der Verwüstung. Schwer verletzte Menschen lagen blutüberströmt inmitten zerstörter Marktstände. Sanitäter bargen Leichen und Verletzte. Die Polizei riegelte den Marktplatz sofort weiträumig ab. Spezialisten durchkämmten Marktstände, Trümmer und Abfallbehälter nach weiteren Sprengsätzen.

Ministerpräsident Netanjahu erhob schwere Vorwürfe gegen Palästinenserpräsident Jassir Arafat und machte ihn für das Blutbad mitverantwortlich. Er erklärte, Arafat habe bislang nichts gegen den Terrorismus unternommen, obwohl er sich dazu verpflichtet habe. Israel erwarte, daß er endlich „die notwendigen Schritte gegen diese Terroristen und ihre Hintermänner unternimmt, die sich frei bewegen können“. Israel werde sich mit dem Terror nicht abfinden. Die Palästinensergebiete Westjordanland und Gaza- Streifen wurden sofort abgeriegelt.

Zuvor hatte Netanjahu die Beileidsbekundungen Arafats brüsk zurückgewiesen. Aus dem Anruf Arafats habe sich „ein hartes, sehr hartes Gespräch“ entwickelt, sagte ein Sprecher des Ministerpräsidenten. Der konservative Politiker war im Mai vergangenen Jahres als Regierungschef mit dem Versprechen angetreten, mit einer Politik der Härte im Umgang mit den Palästinensern mehr Sicherheit zu erreichen.

Der israelische Staatspräsident Eser Weizman hat den Anschlag mit dem jüngsten Bauprojekt im arabischen Ostteil Jerusalems in Verbindung gebracht. Vor Journalisten fügte er hinzu: „Wir befinden uns mit Ägypten, Jordanien und den Palästinensern in einem Boot, das zum Frieden oder zum Krieg führen kann. Die Lage kann schnell außer Kontrolle geraten. Wir müssen das Ziel des Friedens im Auge behalten, auch wenn es manchmal sehr schwierig ist.“ Palästinenserpräsident Jassir Arafat machte nach einer Meldung der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa „Feinde des Friedens“ für den Anschlag verantwortlich.

Das Attentat wurde unmittelbar vor der für heute angekündigten Vermittlungsreise des US-Beauftragten Dennis Ross in den Nahen Osten verübt. Die Reise wurde sofort verschoben. US-Präsident Bill Clinton nannte den Mordanschlag einen Akt der Barbarei. Es sei ein Anschlag auf die Friedenshoffnungen der Israelis, Palästinenser und Araber gewesen. Clinton forderte Arafat auf, weitere Anschläge mit verstärkten Sicherheitsmaßnahmen zu verhindern. Ross werde er erst nach der Trauerzeit in den Nahen Osten schicken.

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