Sind Sie glücklich?: „Dreimal neue Gelenke drinne“
■ 11 Uhr, Alexanderplatz: Für Renate Köllenbachs Knochen war die Arbeit am Regenschirm zwar zu schwer, aber ein Bummel geht ihr noch leicht aus der Hüfte
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und dem Alexanderplatz um.
Die 54jährige Frührentnerin Renate Köllenbach: Ich treffe mich jetzt mit meiner Tochter für 'n kleinen Bummel, das macht mich schon glücklich. Ich habe drei Kinder und fünf Enkelkinder. Wenn ich die nicht hätte, dann würde ich wahrscheinlich mehr abbauen. Aber so ist immer jemand da, zu dem man hingehen kann. Und sonst pfleg' ich meine Mutter, die ist auch ein bißchen krank. So vergeht der Tag. Ich bin nämlich seit zehn Jahren Frührentnerin, und Sie wissen ja: Als Rentner hat man nie Zeit. Ich habe acht Hüftoperationen hinter mir. Meine Hüftkrankheit ist angeboren, das wurde dann immer schlimmer. Und dann haben sie mir die Gelenke neu gemacht: Auf der einen Seite hab' ich dreimal neue drinne, und auf der andern einmal, ein paarmal ging's auch schief. Solange ich ohne Stock laufen kann, bin ich noch zufrieden. Man kann's sowieso nicht ändern.
Damals war es allerdings schon eine harte Umstellung, nicht mehr arbeiten zu können. Ich war in einem Dienstleistungsbetrieb in Pankow beschäftigt: Wir haben Regenschirme neu bezogen. Das hat mir Spaß gemacht. Man mußte ja auch immer schwer arbeiten, nach Leistung. Wir haben nur gekriegt, was wir erarbeitet haben. Bei 800 Mark war man gut. Meine Kinder hab' ich alleine großgezogen, weil ich mich dann hatte scheiden lassen. Es war schon eine schwere Zeit.
Heute gibt es auch Tage, wo man ganz unten ist. Finanziell könnte es einem bessergehen. Ich krieg' nur 1.200 Mark; und dann die Miete, und kleiden muß man sich ja auch. Aber ich war schon immer bescheiden. Freuen tu' ich mich an Tagen, an denen ich nicht solche Schmerzen in der Hüfte hab'. Basil Wegener
Heute stehen wir auf dem Wittenbergplatz.
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