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IWF streicht Kenia die Kredite

Währungsfonds kritisiert Korruption: Engagierte Beamte werden entlassen, Gerichtsverfahren versanden. Wirtschaft droht Rezession  ■ Aus Nairobi Andrea König

Wie eine Schockwelle ging die Nachricht, daß der Internationale Währungsfonds (IWF) am vergangenen Freitag die Kredite für Kenia gestrichen hat, durchs Land. Der Keniaschilling ist gegenüber dem Dollar zwischendurch bis zu sieben Cents, von 58 auf 65, gefallen, als ausländische Investoren in einer ersten Reaktion Devisen aus dem kenianischen Markt abzogen. Der Finanzminister Musulia Mudavadi sagte, die Regierung müsse nun den Gürtel enger schnallen und andere Einkünfte suchen. „Die Streichung wird sich unmittelbar auf den Staatshaushalt und die Ausgleichszahlungen auswirken. Dieser Entscheid kann die Wirtschaft völlig destabilisieren.“

Die Bevölkerung reagierte entsetzt. „Das heißt, wir werden nun für alles höhere Preise bezahlen müssen, für Essen, Kleider. Die Regierung wird auf alles Steuern erheben, wie wollen wir noch leben?“ fragt ein Mann auf der Straße, der die Nachricht soeben im Transistorradio gehört hat.

Der Schritt des IWF kommt nicht überraschend und ist die konsequente Reaktion auf den mangelnden Willen der kenianischen Regierung zu Wirtschaftsreformen und Transparenz im Umgang mit öffentlichen Geldern. Die Opposition begrüßte die Maßnahme des IWF mehrheitlich positiv. Richard Leakey, Generalsekretär der nicht registrierten Oppositionspartei Safina, sagt: „Korruption war der zentrale Punkt, der zu diesem Entscheid führte. Der Währungsfonds hat damit anerkannt, daß dieses Land ein enormes Gouvernance- Problem hat. Es bleibt zu hoffen, daß die Behörden nun den Weg zu Reformen wählen.“ Doch Kenias Präsident Daniel arap Moi zeigte sich zumindest gegenüber der Zeitung Daily Nation uneinsichtig: Die Kreditsperre sei „rein politisch“, es gebe dafür „keinerlei wirtschaftliche Gründe“.

1996 hatte die kenianische Regierung den IWF und die Geberländer noch damit beeindruckt, daß sie einen Schweizer, Robert Brenneisen, zum Chef der Hafenbehörde ernannte und damit dem Versprechen, Ordnung in den Hafen von Mombasa zu bringen, scheinbar bedingungslos nachkam. Bereits nach wenigen Monaten funktionierte Mombasa wieder, die Korruption im Hafen hatte deutlich nachgelassen. Eine erste Tranche des insgesamt 220 Millionen US-Dollar umfassenden Kredits wurde freigegeben.

Doch es sollte die letzte Überweisung nach Kenia bleiben. Mit zwei neuen Affären verspielte Kenia wieder das Vertrauen des IWF: Die Nachwehen des Falls Goldenberg und die „Zuckeraffäre“.

Anfang Juli blockierte der IWF bereits eine weitere Tranche des Gesamtkredits, weil das Gerichtsverfahren gegen die Akteure des Goldenberg-Skandals eingestellt wurde. Die skurrile Begründung der Richter: Die Liste der Anklagepunkte sei zu lang. 1991, ein Jahr vor den ersten allgemeinen Wahlen im Mehrparteiensystem, hatte der damalige Finanzminister und heutige Vizepräsident George Saitoti ein Dokument unterzeichnet, das der Firma Goldenberg, die Diamanten und Gold aus Kenia exportieren wollte, staatliche Kompensationszahlungen von mindestens 100 Millionen Dollar garantierte. Eine ansehnliche Summe, denn Kenia verfügt bloß über wenig Gold – Diamanten gibt es überhaupt nicht. Das Geld floß zur Firma Goldenberg und versickerte. Auch die Staatspartei Kanu steht im Verdacht, sich bereichert zu haben. Der IWF verlangt, daß die Verantwortlichen der Goldenberg-Affäre bestraft werden und das Geld zurück in die Staatskasse kommt.

Nach dem jüngsten Skandal, der Zuckeraffäre, hatte der IWF nun endgültig genug: Der Chef der Zollbehörde, Samuel Chebbi, der als äußerst integer gilt, wurde vom Büro des Präsidenten aus seinem Amt entlassen, weil er sich eben nicht bestechen ließ. Eine Ladung von 6.000 Tonnen Zucker hat den Hafen von Mombasa zollfrei passiert, denn offiziell war der Zucker für eine Firma in Muanza, Tansania, bestimmt. Als Chebbi den Weg des Zuckers verfolgte, stellte er fest, daß die Firma in Tansania nicht existiert und der Zucker dort auch nie angekommen ist. Es wird vermutet, daß einige Firmen mit guten politische Beziehungen den Zucker in Kenia auf den Markt gebracht haben, was die lokalen Zuckerproduzenten in arge Bedrängnis gebracht und den kenianischen Staat Millionen an Zolleinkünften kostete.

Die Londoner Zeitung Financial Times berichtet, der Finanzminister habe in letzter Minute versucht zu retten, was zu retten ist. Er habe dem Direktor des Währungsfonds, Michael Camdessus, in einem Brief bestätigt, daß Chebbi wieder eingesetzt würde, und Maßnahmen versprochen, um die Korruption auf Staatsebene zu bekämpfen. Der Brief des Finanzministers sei aber vom Präsidenten zurückgehalten worden. Es scheint, als ob einige Hardliner in der Regierung Moi denken, daß sie vorläufig von Korruption mehr haben als von Krediten des IWF, die zwangsläufig auch an politische Konditionen geknüpft sind.

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