: Jugendrichter erziehen
■ CDU: Richter sollen Volkes Recht sprechen oder werden versetzt
Wenn Karl-Heinz Ehlers Hamburgs Jugendrichter an seinem geistigen Auge vorbeiziehen läßt, dann sieht er vor lauter Alt-68ern keine Gerechtigkeit mehr. Gestern stellte der innenpolitische Sprecher der CDU zusammen mit Spitzenkandidat Ole von Beust vor, wie seine Partei im Falle einer Regierungsbeteiligung gegen zu viel Verständnis für junge Straftäter vorgehen will. Ihm sei beispielsweise nicht einsichtig, „wieso ein 18jähriger immer noch als verirrter Jugendlicher behandelt wird, obwohl das Kerbholz voll ist“.
„Intensive Fortbildung“soll milde Richter dazu umerziehen, nicht immer nur Mindeststrafen zu verhängen. „Nichts ist so lehrreich für einen Richter wie der Blick ins Gesetzbuch“, begründete Ehlers den Fortbildungsbedarf. Die hätten teilweise einen „anderen Demokratiebegriff“als die normale Bevölkerung und müßten wieder lernen, „im Namen des Volkes“Recht zu sprechen. Jugendrichter, denen das schwerfiele, könnten auch in den Bereich Verkehrsdelikte versetzt werden. Überhaupt sei es sinnvoll, Jugendrichter rotieren zu lassen.
Als Angriff auf die „Unabhängigkeit der Justiz“solle das aber nicht verstanden werden, beeilte sich Ole von Beust, selbst Jurist, hinzuzufügen. Gesetzesänderungen auf Bundesebene, wie „der Maulheld“Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) sie fordert, sind nach Ansicht der CDU gar nicht nötig. Zum Aufräumen wie in New York reichten die bestehenden Gesetze, nur müsse man sie mit „null Toleranz“anwenden. Also: „Massiv kleine Kriminalität bekämpfen, um größere zu verhindern.“
New York sei in vieler Hinsicht mit Hamburg vergleichbar, behauptet von Beust. Tatsächlich aber lagen die Raubdelikte 1996 in New York trotz des Großreinemachens noch immer bei 588 auf 100.000 Einwohner; in Hamburg waren es 350. Auch die Polizisten selbst glaubt von Beust hinter sich. Nur trauten die sich nichts zu sagen.
Außer Torsten Seeland. Der Revierleiter der Wache 11 in St. Georg äußerte sich gegenüber der taz furchtlos und unzweideutig: Das New Yorker Konzept „paßt nicht zu der von uns gewählten Staatsform, dem liberalen Rechtsstaat, und zu meinem Demokratieverständnis.“
Silke Mertins
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