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Nachgefragt„Beamte baden aus“abschieben

■ Polizeigewerkschafterin Uzunoglu gibt Politik die Schuld an Jugendgewalt

In Kattenturm liefern sich Jugendliche mit der Polizei Schlägereien, und der einzige Jugendbeauftragte der Bremer Polizei geht in den vorzeitigen Ruhestand. In Hamburg hingegen gibt es in jedem Stadtteil einen Jugendbeauftragten der Polizei und fünfzig Jugendschutzbeamte. Läuft was schief in der Personalpolitik der Bremer Polizei? Wir befragten dazu Elisabeth Uzunoglu, stellvertretende Vorsitzende bei Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bremen:

taz: Frau Uzunoglu, die GdP titelt heute „Polizeibeamte (in Kattenturm) wieder einmal Prügelknaben für gesellschaftliche Fehlentwicklung“. Wie meinen Sie das?

Elisabeth Uzunoglu: Es ist längst bekannt, daß der Kattenturm ein sozialer Brennpunkt ist. Jetzt ist es da zu einer Eskalation gekommen, die die Polizeibeamte auszubaden haben.

Wie hätte das verhindert werden können? Hat die Politik versagt?

Die Polizei-Gesetze reichen aus. Es hapert bei der Anwendung der Bestimmungen im politischen Bereich. Die Asylbewerber leben hier über Jahre ohne jede Perspektive. Hier fehlt es an Gesetzen.

Was müßte passieren?

Aus der Sicht der GdP müßte eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, um straffällig gewordene Ausländer schneller ins Abschiebeverfahren zu bringen und diese Verfahren schneller durchzuführen.

Das wäre aber nicht gerade eine präventive Maßnahme.

Das ist richtig. Die Polizei müßte verstärkt werden, um präventiv arbeiten zu können. Unsere Kollegen müssen auf Grund der Sparmaßen ständig repressiv handeln. Wegen der dünnen Personaldecke sind wir nicht mehr in der Lage, vor Ort Gespräche zu führen. Die GdP hat die Ausbildung von 150 Polizisten bis zum Jahr 2000 gefordert. 38 sind uns zugestanden worden.

In Bremen geht jetzt der einzige Jugendbeauftragte der Polizei in den vorzeitigen Ruhestand. Was sagen Sie dazu?

Einen Teil der Aufgaben des Jugendschutzbeamten soll der Kontaktbereichsbeamte übernehmen. Das wird gerade erprobt. Der Beamte soll den Kontakt zu den Leuten vor Ort halten, zu den Sportvereinen, den Schulen, den Jugendlichen.

Ersetzt das Jugendbeauftragte?

Wichtig fände ich einen Beamten, der speziell für den Bereich ausländische Jugendliche ausgebildet und abgestellt wird. Jeder der mit ausländischen Mitbürgern umgeht, weiß, daß diese emotional anders reagieren als wir. Das beginnt beim gestischen Ausdruck. Und man muß die Hierarchien in den Familien verstehen: Ein Vater, der seit zehn Jahren keine Arbeit mehr hat, verliert an Einfluß, wenn ihm nicht mehr die Rolle des Ernährers zukommt.

Und deswegen lassen die Kids ihren Frust an Ihren Kollegen aus? Die Polizei als Vaterersatz?

Nein, das glaube ich absolut nicht. Warum die Jugendlichen ihren Frust auf diese Weise ablassen, das kann ich mir nicht erklären.

Die Jugendlichen sagen: Weil Ihre Kollegen einäugig auf schwarze Haare und braune Haut reagieren.

Ich sehe eher die gesellschaftspolitischen Ursachen. Wenn ich als normaler Bürger zu den Jugendlichen hingegangen wäre, die gerade einen Automaten demolierten, und ihnen gesagt hätte: „Hör mal zu, was machst du da?“, dann hätten die genauso reagiert, wie auf einen Uniformierten. Fragen: ritz

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