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Krise in Montenegro

■ Anhänger von Serbiens Präsident Milošević gehen in die Offensive

Podgorica (taz) – Der erbitterte Machtkampf in Montenegro nimmt gefährliche Ausmaße an. Auf dem Spiel steht nicht nur die friedliche Überwindung der Staatskrise in Montenegro, sondern auch das politische Überleben des starken Mannes aus Serbien, des frischgebackenen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević, und die Einheit der Bundesrepublik Jugoslawien.

Der autoritäre Milošević braucht die absolute Kontrolle in Montenegro, um seine durch die jugoslawische Verfassung beschränkte Machtposition als Bundespräsident ausweiten zu können. Als einzige Teilrepublik des ehemaligen Jugoslawien, die Serbien treu geblieben ist, ist Montenegro im gemeinsamen Bundesstaat mit dem zehnmal größeren Serbien gleichberechtigt. Alle bisherigen Versuche Belgrads, die montenegrinische Regierung, angeführt von Milo Djukanović, einem erklärten Gegner von Milošević, zu entmachten, sind gescheitert.

Denn Milošević' Anhänger verlieren in Montenegro den Boden unter den Füßen. Der Hauptausschuß der regierenden montenegrinischen Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) hat den Präsidenten Montenegros, Milošević' Frontmann Momir Bulatović, als Parteichef abgesetzt und Djukanović als Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen am 5. Oktober nominiert.

Bulatović hat auch die Unterstützung des montenegrinischen staatlichen Rundfunks und der Polizei verloren und ist nun ganz auf die von Milošević dominierten Bundesinstitutionen und dessen Partei angewiesen. Sollte Djukanović gewinnen, könnte die DPS gemeinsam mit der montenegrinischen und serbischen Opposition Milošević als Bundespräsidenten völlig entmachten.

Am Mittwoch ging Bulatović, noch Präsident Montenegros, in die Offensive. Im Städtchen Kolašin trommelte er seinerseits einen Parteikongreß der DPS zusammen. Dieser Kongreß, zusammengesetzt aus einem kleinen ihm treu gebliebenen Teil der Parteimitglieder, erkor Bulatović zum DPS- Präsidentschaftskandidaten und schloß Djukanović und 23 weitere Politiker aus der Partei aus. Dem Kongreß wohnte eine hochkarätige Delegation der serbischen Sozialisten bei. Milošević will jetzt den Ereignissen in Montenegro zuvorkommen und bereitet eine Verfassungsänderung vor, die ihm einen weit größeren formalen Einfluß auf Montenegro ermöglichen soll. Andrej Ivanji

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