: Zwei Lesben in der Peepshow
Ein Liebespaar auf der Reeperbahn: Die eine strippt, die andere macht die Kasse. Geht das gut? ■ Von Christine Holch
Elf Uhr vormittags. Die Reeperbahn liegt in gleißendem Sonnenlicht. Ein Mann betritt die Peep-show, schlendert durch den dunklen Gang, betrachtet die Fotos der Tänzerinnen. Petra*, die am Ende des Gangs im Kassenhäuschen sitzt, dimmt die Musik runter und lockt: „Jetzt geht's los – mit unserer Jasmin auf der Lifeshowbühne.“Der Mann legt einen Zehner auf den Tresen, bekommt zwei Fünfmarkstücke zurück. Das macht zehn Minuten Gucken.
Vor den elf Türen, die zu den Boxen rund um die Bühne führen, zögert er kurz, wählt die in der Mitte, wirft die Münzen ein. Das Signal für Jasmin: Im Eilschritt nimmt sie die drei Stufen zur Bühne. Und schon windet sie sich um die silberne Metallstange, läßt die blonden Haare wehen, öffnet den schwarzen BH, dann den straßbesetzten Tanga.
Petra schaut kurz auf den Monitor in ihrem Kassenhäuschen. Dort sieht sie die Tanzfläche, die Männer in den Boxen, die zur Seite und zur Bühne hin offen sind. Jasmin ist nur durch ein Geländer von dem Kunden getrennt. Aber Anfassen is nicht. „Auch Wichsen is nicht in der Peepshow“, erklärt Petra. Dafür sind die Videokabinen da.
Petra paßt gut auf ihre Tänzerinnen auf. Zwei wechseln sich stets im Fünf-Minuten-Takt ab. „Laß dein Geld stecken und geh“, sagt sie zu betrunkenen Kunden. „Ich bin ja recht dominant. Wenn ich dann noch laut werde, das wirkt.“Die 37jährige ist Geschäftsführerin der Peepshow. Und Lesbe. Wie zwei weitere Kassiererinnen.
Was sucht eine Lesbe in diesem männerdominierten Hetero-Milieu? „Ich arbeite gern mit Shows, ich arbeite gern mit Sex“, sagt Petra, „und ich arbeite gern in einem Betrieb, wo 80 Prozent Frauen sind.“Vor vielen Jahren hat sie mal Verkäuferin gelernt. „Aber hier habe ich viel mehr Freiheit, hier bin ich an der Organisation beteiligt.“
Und dann das Geld. Das überzeugte Petras Lebensgefährtin Rebecca*. Sie hat einst Erzieherin gelernt, später war sie Geschäftsführerin der „Hamburger Frauenkneipe“, organisierte dort auch S/M-Parties. „Da hab ich mir für wenig Geld den Arsch aufgerissen. Und da ich damals ein richtiges sexuelles Coming Out hatte, sagte ich mir: Warum nicht Geld verdienen mit Sex?“Also begann Rebecca als Tänzerin in der Peepshow.
Es macht ihr „Spaß“, die Männer in ihren Bann zu ziehen, Macht über sie zu haben. „Ich seh' ja, ob die nachwerfen.“Rebecca denkt sich allerlei Shows aus, zum Beispiel die Nummer mit der Perlenkette, die sie sich zwischen den Beinen durchzieht.
So weit, so gut. Doch dann bekamen die Freundinnen immer öfter „Streß“miteinander. „Ich hab' unterschätzt, was das mit mir macht“, erzählt Petra. „Wenn ich seh, welche Typen zum Teil reinkommen! Die würd ich auf der Straße nicht mit dem Arsch anschauen! Vor allem aber hatte ich das Gefühl, Rebecca wird doch mißbraucht.“
Es sei eben nicht damit getan, ein bißchen was zu zeigen, und schon gibt es Geld, sagt Rebecca. „Die Männer wollen was Lebendiges, was Emotionales haben, denn das ist das, was ihnen fehlt.“Die Kunden wollen persönlich angemacht werden, sonst werfen sie kein Geld nach. So viel Einsatz hielt Petra nicht mehr aus.
Rebecca nach zwei Jahren auch nicht mehr. „Es kommt letztlich zu wenig zurück. Ich bin immer verschlossener geworden.“Viele von denen, die länger in Peepshows arbeiten, hätten Mißbrauchserfahrungen, weiß sie aus Andeutungen der Kolleginnen. „Wer länger dabei bleibt, muß unheimlich kompensieren, mit Klamotten oder Parfüms.“Oder sich mit Drogen betäuben.
Seit kurzem arbeitet die 40jährige in einem Bioladen. Daher die Gesundheitssandalen? Rebecca lacht: „Ja, aber in Gold.“Petra sitzt noch immer hinter der Kasse. „Manchmal frage ich mich natürlich schon, was mach ich hier eigentlich? Wenn man's knallhart ausdrücken will, bin ich nur mit der Wichse von Männern beschäftigt.“Feministisch sei ihre Arbeit nicht zu vertreten. Kritische Fragen von Freundinnen aus der Lesbenszene blockt sie ab.
Andererseits: „Prostitution kann man nicht abschaffen – aber wenn mehr Frauen in die Organisation des Gewerbes gehen, kann man das Flair verändern.“In ihrem Laden käme kein männlicher Kassierer darauf, durchs Mikrophon zu brüllen: „Hier könnt Ihr die weitesten Muschis sehen.“Frauenfeindliche Locksprüche sind tabu. Auch das Wort „Titten“wurde aus dem Vokabular gestrichen.
Rebecca rührt in ihrem Milchkaffee: „Wenn man mit Sex Geld verdienen will, dann gibt es eben nicht viele Möglichkeiten.“Ihr Traum: „Sexpriesterin in einem spirituellen Sinn. Wie früher, wo das was Heiliges war und die Frauen respektiert wurden.“
* Die Namen wurden von der Redaktion geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen