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Genossen, wir wohnen ohne Auto

■ In Hamburg planen die Genossen der Wohnwarft billiges Wohnen ohne Auto. U-Bahn und S-Bahn liegen vor der Tür

Berlin (taz) – Ein privates Auto ist für das Leben in der Großstadt zumeist entbehrlich. Doch zeitweise autofrei zu wohnen ist die eine Sache, dies bewußt zu planen und mittels einer Genossenschaft umzusetzen, eine andere. Dieser Aufgabe stellt sich jetzt die Hamburger Wohnwarft e.G., nach eigenem Bekunden „die erste ausdrücklich autofreie Genossenschaft Deutschlands“.

Gegründet wurde sie vor genau einem Jahr auch mit dem Ziel, in der Hansestadt auf dem 3,5 Hektar großen Gebiet zwischen Saarlandstraße und Barmbeker Stichkanal eine autofreie Siedlung zu errichten. „Früher galt das Gelände als Vorbehaltsfläche für die Stadtautobahn“, schmunzelt Karsten Wagner von der Genossenschaft.

Das Grundstück liegt zentral, eine U-Bahn hält direkt vor der Tür, S-Bahn und Busse gibt es ganz in der Nähe. Entstehen sollen hier insgesamt 220 Wohnungen. In einem ersten Bauabschnitt werden zunächst 120 davon errichtet, die Genossenschaft selbst baut 31.

Nach zahlreichen Planungen, Vorgesprächen, regelmäßigen Treffen und der Aufteilung der Gebäude unter den künftigen Bewohnern – inzwischen, so heißt es, wisse jeder, wer wessen Nachbar sein wird – soll dieser Tage der Bauantrag gestellt werden. Läuft alles nach Plan, ist Baubeginn im nächsten Mai, und schon im Sommer 1999 können die ersten einziehen. Karsten Wagner: „Wir wollen nicht nur zusammen wohnen, sondern auch zusammen leben.“ Gemeinsam genutzt werden beispielsweise Werkstätten, Grünflächen und Gemeinschaftsräume. Am Kanal wird später zudem ein Café sowie ein Bootsanleger für die Bewohner entstehen.

Die Kosten für diesen ersten Schritt belaufen sich auf 32 Millionen Mark, umgerechnet ein Quadratmeterpreis von 3.600 Mark. 80 Prozent dieser Summe kommt als Darlehen von der Hamburger Wohnungsbaukreditanstalt. Besonderheit: Die Förderung orientiert sich am Einkommen der künftigen Bewohner. Die Miete liegt später zwischen 9,80 und 15,80 Mark pro Quadratmeter, bei einer kontinuierlichen Steigerung von 30 Pfennig pro Jahr.

In der Satzung der Genossenschaft ist festgehalten, daß die Mieter ein eigenes Autos weder besitzen noch regelmäßig nutzen dürfen – auch nicht das von Freunden und Bekannten. „Wir konnten uns so Stellplätze für Autos sparen“, so Wagner. Nur Lieferanten, Müllabfuhr sowie Feuerwehr und Krankenwagen dürfen das Grundstück befahren. „Die Flächen können wir dann für Spielplätze oder als Orte der Kommunikation nutzen.“ Autofrei zu wohnen bedeutet zwar, auf motorisierte Fahrzeuge zu verzichten, verbietet indes nicht, Taxis, Car-Sharing oder Firmenwagen zu nutzen, sofern sie nicht im Quartier geparkt werden. Schließlich, so die Genossen, werde damit „von uns lediglich eine Lebensweise erwartet, wie sie 40 Prozent der Hamburger Haushalte praktizieren.“ A. Lohse

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