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Bund und Land Hand in Hand

Brandenburg hat Wirtschaftsförderung vor allem gemeinsam mit dem Bund betrieben. Zahlt der nicht mehr, läuft die Strategie ins Leere  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Wolfgang Wenzke ist sauer. Erst vor kurzem hat der stellvertretende Landesgeschäftsführer des Verbands mittelständischer Wirtschaft in Brandenburg einigen Unternehmen den Tip gegeben, daß es wieder Zuschüsse gibt für Beratung. Kleinunternehmer, die ein paar Nachhilfestunden in Marketing und Buchhaltung nehmen wollten, sollten sie nur zu 50 Prozent selbst zahlen müssen. Der Rest kommt aus der Bundeskasse, versicherte Wenzke den Mittelständlern. Doch wer einen entsprechenden Antrag gestellt hat, kann ihn gleich wieder in den Papierkorb werfen. Das Programm existiert zwar, aber es gibt kein Geld dafür.

Doch nicht nur der Bund legt derartige Luftprogramme auf. „Bei einem Investitionsprogramm für benachteiligte Regionen hat das Land die Antragsteller eineinhalb Jahre lang hingehalten. Dann wurde die Förderung ganz gestrichen“, berichtet Wenzke.

„Vieles wird am grünen Tisch entschieden, und kaum einer fragt, was die Unternehmen tatsächlich brauchen“, beschreibt Wenzke seine Sicht der Dinge. Die Förderszene ist für viele brandenburgische Betriebe völlig unübersichtlich. Und jetzt steht auch noch das bedeutenste Förderinstrument, die Gemeinschaftsaufgabe (GA), zur Disposition. Bundesfinanzminister Theo Waigel will sie massiv zusammenstreichen. Etwa 170 Millionen Mark an Zuschüssen weniger als bisher geplant sollen Brandenburgs Firmen und Kommunen 1997 aus diesem Topf bekommen; im nächsten Jahr ist eine Ersparnis von 68 Millionen Mark eingeplant. „Das gab es noch nie, daß in den laufenden Haushalt eingegriffen wurde. Es zeigt, wie schlecht es um den Bundeshaushalt bestellt ist“, kommentiert Patricia Schuster vom Potsdamer Wirtschaftsministerium.

Die GA-Mittel werden zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte vom Land aufgebracht. Brandenburgs Landesregierung hatte angesichts schrumpfender Steuereinnahmen im letzten Jahr viele landeseigene Förderprogramme gestrichen. Nur Programme, bei denen es eine Kofinanzierung aus Bonn oder Brüssel gab, sollten weiterlaufen oder angekurbelt werden.

„Bisher ist diese Strategie gut aufgegangen“, versichert Schuster. Für Technologieförderung beispielsweise seien dieses Jahr statt 20 Millionen 50 Millionen Mark da. „Doch das Messer, das jetzt an die Gemeinschaftsaufgabe gelegt wird, geht mitten durch unsere Konzeption.“

Auch Dietmar Thiele von der Brandenburgischen Investitionsbank sieht fatale Folgen für die Wirtschaft des Landes, wenn die GA-Mittel eingefroren werden. „Die Unternehmer haben ihre Gesamtfinanzierung darauf aufgebaut.“

Wie effektiv die Förderpolitik Brandenburgs bisher war, ist allerdings auch sehr umstritten. Desto weiter vom Speckgürtel um Berlin entfernt, desto höher der Fördersatz – so der Kernpunkt der Potsdamer Wirtschaftspolitik. So gibt es im Umland der Bundeshauptstadt in der Regel 16 bis 20 Prozent Zuschüsse, während es in der Uckermark bis zu 45 Prozent sind.

„Das ist eine heilige Kuh der Landesregierung, die nichts taugt“, so das vernichtende Urteil des Volkswirtschaftsprofessors Helmut Seitz von der Europa-Universität Viadrina. Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt in einer Studie zu einer ähnlichen Einschätzung: Wenn die Mittel knapp sind, müssen sie da eingesetzt werden, wo sie den größten Wachstumsschub ermöglichen, raten die Wissenschaftler.

Doch offiziell hält die Landesregierund an ihrem Konzept der „dezentralen Konzentration“ fest. Besonderes Unverständnis erntet dabei der Lausitzring, für den 240 Millionen Mark öffentliche Gelder aufgebracht werden sollen – 90 Prozent davon GA-Mittel. Kritiker sehen keinerlei Bedarf für die Test- und Rennstrecke und halten die erhofften 2.000 Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region für eine völlig verfehlte Annahme. „Das ist ein Prestigeprojekt und sonst nichts“, urteilt Seitz.

Über die Hälfte der GA-Mittel, die Brandenburg zur Verfügung hat, gehen inzwischen jedoch immerhin in kleine und mittlere Betriebe mit bis zu 250 Angestellten, so das Wirtschaftsministerium. Betriebe mit einem Marktradius unter 30 Kilometern haben zwar keine Chance auf Förderung. Aber die ganz Großen, die noch vor einigen Jahren fast 90 Prozent vom Förderkuchen abbekommen haben, sind inzwischen nicht mehr so bedeutend. „In diesem Jahr haben schon 188 Kleinbetriebe eine Zusage für GA-Mittel bekommen – und nur ein Großbetrieb“, so Patricia Schuster.

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