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„Ich fürchte, daß es Machtkämpfe geben wird“

■ Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann sich der Iran einen Deutschland-Boykott nicht leisten, meint Herbert Riedel, Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer

taz: Nach dem Mykonos-Urteil haben Sie gesagt, Sie rechneten nicht mit größeren Auswirkungen. Jetzt wird in Teheran eine Art Deutschland-Boykott verhängt. Was ist inzwischen passiert?

Herbert Riedel: Bisher war es ein unausgesprochener Boykott, der sich auf die unteren Entscheidungsebenen des Industrie- und des Handelsministeriums beschränkte. Auf der oberen Ebene ist die Existenz eines solchen Boykotts noch vor Wochen entschieden dementiert worden. Nach Presseberichten im Iran hat das Ganze aber einen offiziellen Charakter bekommen.

Welche Art Geschäfte betrifft dieser Boykott und welche nicht?

Man wird nur noch Lieferungen genehmigen, wenn der Iran die Ware unbedingt braucht, weil man Vergleichbares anderweitig nicht bekommt.

Was sind das für Waren?

Das können harmlose Sachen sein. Wenn ein iranischer Produzent etwa mit Rohmaterialien arbeitet, die man woanders nicht bekommt, wird er eine Genehmigung für die Einfuhr bekommen.

Es heißt, Rüstungsgüter und für die Rüstungsindustrie bestimmte Waren seien von dem Boykott explizit ausgenommen.

Kann ich mir vorstellen, weil deren Beschaffung ja schwierig ist und im Grunde auch nicht legal. Wenn so etwas erkannt wird, wird es von deutscher Seite nicht genehmigt. Solche Importe gehen daher häufig über Zwischenländer.

Der deutsch-iranische Handel ist in den letzten Jahren ziemlich den Bach runtergegangen.

Ja, seit 1992, als wir einen absoluten Höchepunkt erreicht hatten, ging es, bedingt durch die Devisenverknappung im Iran – man mußte größere Schulden zurückzahlen –, zwangsläufig zurück. Dieser Trend hat sich erst vor etwa eineinhalb Jahren wieder gewandelt, weil der Iran besser mit Devisen dastand.

An welcher Stelle unter den iranischen Handelspartnern steht Deutschland heute?

Deutschland hat immer noch die stärkste Position. Aber in Frankreich wurde schon im letzten Jahr von offizieller Seite erklärt, man wolle Deutschland von dieser Position verdrängen.

Wie groß ist denn das deutsch- iranische Handelsvolumen?

Wir haben im letzten Jahr Waren für 2,2252 Milliarden Mark in den Iran ausgeführt und für 1,0889 Mark eingeführt. Bei den Einfuhren hat es nie gravierende Änderungen gegeben. Bei den deutschen Ausfuhren ist der Niedergang von 1992 auf 1993 sehr stark. Im ersten Quartal dieses Jahres ist dann eine Steigerung der deutschen Ausfuhren von immerhin 42,2 Prozent zu verzeichnen, bei den Einfuhren sind es 14,2 Prozent. Unter den jetzigen Umständen ist natürlich damit zu rechnen, daß sich dieser Trend nicht fortsetzt.

Bisher war Deutschland Irans wichtigster Handelspartner im westlichen Ausland. Kann sich die iranische Führung einen Boykott unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eigentlich leisten?

Nein. Aber die Erfahrung der letzten Monate hat gezeigt, daß man in Teheran durchaus gewillt ist, aus politischen Gründen Entscheidungen zu fällen, die wirtschaftlich nicht zu vertreten sind.

In den USA wird diskutiert, die Eindämmungspolitik gegen Iran aufzugeben. Könnten demnächst US-Unternehmen in die Lücke springen, die deutsche Firmen im Iran hinterlassen?

In der letzten Zeit sind US-Geschäftsleute im Iran gewesen. Beispielsweise haben Vertreter größerer Ölfirmen an einer Ölkonferenz in Isfahan teilgenommen. Trotzdem werden in den USA auch Reden gehalten, aus denen hervorgeht, daß man den rigorosen Kurs gegenüber Iran beibehalten will. Auch die Duldung des Baus einer Pipeline von Turkmenistan über Iran in die Türkei ist meines Erachtens nicht als positives Signal an den Iran gemeint, sondern an die zentralasiatischen Republiken.

Irans Deutschland-Boykott wurde wenige Tage nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Chatami ausgesprochen.

Er wurde kurz nach seinem Amtsantritt bekannt. Bezeichnend ist zum Beispiel, daß die Äußerungen, in welcher Reihenfolge die EU-Botschafter nach Teheran zurückkehren sollen, nicht von Chatami kamen, sondern daß ihm der Expräsident Rafsandschani zuvorkam. Der hat erklärt, die Botschafter müßten nacheinander kommen, als letzter der deutsche.

Rafsandschani müßte doch ein Interesse daran haben, Chatami zu stützen.

Ich glaube eher, daß er als Vorsitzender des „Feststellungsrates“ politischen Einfluß nehmen will. Zwar hat laut Verfassung der Präsident die zweite Position im Staat, aber ich fürchte, daß es trotzdem Machtkämpfe geben wird.

Deutsche Unternehmer haben sich beim Bundeswirtschaftsministerium über Irans Boykott beschwert. Was kann Bonn tun?

Das Wirtschaftsministerium hat versprochen, Schritte einzuleiten. Aber die Tatsache, daß es weder hier noch in Teheran einen Botschafter gibt, trägt nicht gerade zur Beschleunigung bei.

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