piwik no script img

Prozeß um Tod auf Baustelle geplatzt

■ Weil zwei Bauarbeiter nicht vor Gericht erschienen, wurde der Prozeß wegen des tödlichen Kranunfalls im September 1995 in der Friedrichstraße verschoben. Bauleiter steht gar nicht erst vor Gericht

Vor knapp zwei Jahren wurde die Malerin Käthe Ebner von einem herabfallenden Stahlträger an der Baustelle des Kontorhauses Mitte in der Friedrichstraße getötet. Gestern nun ist der mit Spannung erwartete Prozeß gegen drei Bauarbeiter und einen Polier zunächst geplatzt. Zwei Bauarbeiter waren nicht zum Termin beim Schöffengericht des Amtsgerichts Tiergarten erschienen. Die Richterin erließ daraufhin Haftbefehl und setzte die Verhandlung aus.

Ob auch gegen Markus Feicht, den verantwortlichen Bauleiter der Firma Heitkamp, die die Bauarbeiten im Auftrag der Kontorhaus-Investoren damals durchführte, Anklage erhoben wird, ist noch offen. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Feicht eingestellt hatte, muß nun das Kammergericht über eine Beschwerde des Anwalts der Eltern von Käthe Ebner entscheiden.

Bislang hält die Staatsanwaltschaft lediglich einen polnischen Kranführer, zwei polnische Einweiser sowie den österreichischen Polier der fahrlässigen Tötung und des Verstoßes gegen allgemeine Sicherheitsvorkehrungen für hinreichend tatverdächtig. Die drei Bauarbeiter hätten am 26. September 1995 vom Polier den Auftrag bekommen, eine aus sieben Stahlträgern zusammengeschweißte „Kranmatratze“ von der Friedrichstraße über das Dach des Rohbaus in die Mohrenstraße zu hieven. Obwohl der Kranführer keinen Sichtkontakt zur Last hatte, heißt es in der Anklageschrift, sei der Senkvorgang in der Mohrenstraße nicht gestoppt worden. Kurz darauf habe die Last einen Betonpfeiler berührt, worauf sich ein Stahlträger gelöst habe und aus 20 bis 30 Meter Höhe über die Baustellenabsperrung hinab auf die Mohrenstraße gestürzt sei. Käthe Ebner, die gerade mit ihrem Fahrrad aus dem U-Bahnhof Stadtmitte kam, war sofort tot.

Während für die Staatsanwaltschaft die Fahrlässigkeit der Angeklagten im wesentlichen darin besteht, daß es keinen dritten Einweiser für den Kranführer auf dem Dach des Rohbaus gegeben habe, sind für den Anwalt Lothar C. Poll, der die Eltern von Käthe Ebner vertritt, nach wie vor weitere Fragen offen. Zahlreiche Zeugen, so Poll, hätten beobachtet, wie auf der Baustelle des Kontorhauses wiederholt Lasten widerrechtlich über öffentlichem Straßenland transportiert worden seien.

Aber auch nach dem Unfall wurden am Kontorhaus wiederholt Lasten über der Straße transportiert. Für Bauleiter Markus Feicht kein Problem: „Da kommt doch ohnehin kein Fußgänger vorbei“, sagte er damals der taz. Für Anwalt Poll ist es deshalb ein Skandal, daß sich Feicht bislang nicht vor Gericht verantworten mußte, sondern im gestern geplatzten Prozeß nur als Zeuge aussagen sollte. Die Eltern der Toten sehen das ähnlich: „Es kann doch nicht sein, daß der Bauleiter davonkommt und am Ende die Bauarbeiter für den Zeitdruck auf den Baustellen verantwortlich gemacht werden.“ Der Prozeß wird zu einem bisher nicht benannten Zeitpunkt fortgesetzt. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen