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Viel Platz auf der Müllhalde

■ Subversives Rauschen comes back: Durch die Digitalisierung wird die Mittelwelle wieder attraktiv

Nur ein Knopfdruck und man ist in einer anderen Welt. Zum Beispiel im Bundestag, dessen Debatten der Deutschlandfunk in epischer Breite überträgt. Oder in der Vergangenheit, wo immer noch das legendäre DDR-Jugendradio Sputnik sendet. Selbst die frommen Botschaften des Evangeliumsrundfunks haben auf der Mittelwelle Platz. Und gerne werden zwischen Piepsen und Rauschen auch die fremdsprachigen Gastarbeiter- und Armeeprogramme untergebracht.

„Die Mittelwelle spielt in Deutschland keine Rolle mehr“, sagt Jürgen Köster von der Radio- Ideenschmiede Heureka, „sie ist etwas für Sender, die auf UKW keinen Fuß fassen können.“ Mit dieser Haltung steht der Radioberater Köster nicht allein. Selbst die Gerätehersteller lassen bei neuen Geräten schon mal den Schalter für die Müllhalde Mittelwelle weg.

Grund für den schlechten Ruf ist bei den Hörern die mäßige Monoqualität und bei den Betreibern die Kosten, die die Telekom für die Ausstrahlung über ihre Antennen verlangt. Da die benötigte Energiemenge größer als bei der Ultrakurzwelle ist, schlägt der Betrieb eines 500 Kilowattsenders pro Jahr mit rund 1,3 Millionen Mark zu Buche. Hinzu kommen die Kosten für die aufwendige Wartung.

Dort, wo die Energie billig ist, erfreuen sich die Mittelwellensender großer Beliebtheit. Zudem wurden in den USA oder in Großbritannien frühzeitig Verfahren entwickelt, mit denen sich Stereoqualität erzielen läßt – mit ein bißchen charismatischem Rauschen.

Ein Klangerlebnis, das nun in ganz Europa verfeinert wird, wo vorwiegend französische und deutsche Ingenieure an der Digitalisierung der Mittelwelle arbeiten. Im Rahmen eines Eureka-Projekts der EU investieren Hersteller von Unterhaltungselektronik und Radiostationen bis Ende nächsten Jahres in eine Renaissance der Mittelwelle. Die neuen Geräte – nicht teurer als ein Autoradio – sollen bereits um die Jahrtausendwende in den Läden stehen, mit einer breitflächigen Versorgung ist aber wohl frühestens in zehn Jahren zu rechnen.

„Die digitale Übertragung senkt den Energieverbrauch eines Senders um den Faktor sechs bis acht“, sagt Dietmar Rudolf von der Telekom in Berlin-Adlershof. Dort läßt man bereits CDs digital über einen Versuchssender abspielen. Der neue Volksempfänger soll nicht aufwendiger als ein herkömmliches Radio sein. „Wir haben ein normales Autoradio genommen und die ganze digitale Empfangstechnik ins Kassettenlaufwerk gepackt“, schwärmt Rudolf, der auf der Internationalen Funkausstellung Ende August in Berlin einen Prototyp seiner Neuentwicklung vorstellen will.

Besonders in Sachsen-Anhalt verspricht man sich von der Mittelwelle frischen Wind im dichten Radiomarkt. Denn während die Sender erbittert um UKW-Frequenzen streiten, stehen im Mittelwellenbereich genug Kapazitäten zur Verfügung. Unter Federführung des Landesrundfunkausschusses Sachsen-Anhalt soll nun eine Frequenz, die auch in Sachsen angesiedelt ist, gemeinsam neu ausgeschrieben werden. Auch in Rheinland-Pfalz stehen sechs Frequenzen auf der Mittelwelle zur Disposition.

Der Run auf die Mittelwelle hat bereits begonnen: In Sachsen-Anhalt wurde die ehemalige Frequenz des DDR-Propagandakanals Soldatensender 904 an das britische Unternehmen Mega Radio vergeben. Die Briten wollen auf der traditionsreichen Welle einen Jugendsender betreiben und haben sich auch in Mecklenburg- Vorpommern erfolgreich um eine MW-Frequenz beworben. Und der Radiomacher Norbert Timme will in Schleswig Hostein den Jugendsender Power 612 starten, und den „Kultcharakter“ der Mittelwelle an die Jugend bringen. Allerdings dürfte es angesichts der digitalen Technik mit dem subversiven Rauschen bald vorbei sein. Ferdinand Keyserlingk

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