: Kurzer Prozeß in Jericho
Wegen Mord an einem Israeli verurteilt ein palästinensisches Gericht drei junge Männer zu langer Haft. Israels Regierung ist begeistert ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen
Im Schnellverfahren hat ein palästinensisches Sicherheitsgericht in Jericho am Samstag drei palästinensische Jugendliche wegen der Ermordung eines israelischen Taxifahrers zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die beiden 19 und 20 Jahre alten Täter, Ala Huri und Abdel Risak, müssen eine lebenslängliche Haftstrafe bei harter Arbeit verbüßen, der 17jährige Ijad Abu Sabab erhielt 15 Jahre Haft. Die Stadt Jericho im Westjordanland steht unter palästinensischer Kontrolle.
Der 45jährige Taxifahrer Schmuel Ben Baruch aus Jerusalem war am Freitagmorgen als vermißt gemeldet worden. Die israelische Polizei nahm die Suche auf. Weil der letzte Anruf des Fahrers kurz nach Mitternacht aus Jericho erfolgt war, informierten die Beamten die palästinensische Polizei. Freitag mittag fand diese das Taxi bei einem palästinensischen Hehler im Flüchtlingslager Aqbat Dschaber bei Jericho. Dieser hatte den Wagen für 7.000 Shekel (umgerechnet etwa 3.400 Mark) gekauft. Daraufhin nahm die palästinensische Polizei in Jericho zahlreiche Personen fest, die verdächtigt werden, mit gestohlenen Autos zu handeln.
Mehrstündige Verhöre führten die Polizisten dann auf die Spur der drei Jugendlichen. Einer von ihnen legte nach Polizeiangaben ein Geständnis ab. Er führte die Polizei zu einem leeren Brunnen im Restaurantviertel von Jericho. Eine alarmierte israelische Rettungseinheit barg dann am frühen Samstagmorgen die Leiche des Taxifahrers.
Nur wenige Stunden später fällte das palästinensische Sicherheitsgericht sein Urteil. Nach Angaben der israelischen Polizei haben die Jugendlichen den Taxifahrer mit einem Schraubenzieher in den Nacken gestochen und mit einem Stein auf den Kopf geschlagen. Anschließend fuhren sie mit dem Taxi zum Brunnen und warfen die Leiche hinein.
Nach einer Autopsie wurde Schmuel Ben Baruch noch gestern mittag auf einem Jerusalemer Friedhof beigesetzt. Im israelischen Radio sagte die Witwe des Opfers, ihr Mann habe in den letzten Jahren viel Sympathie für die Palästinenser gewonnen. „Ich möchte, daß das palästinensische Volk weiß, daß er Araber liebte“, sagte sie. „Ich hoffe, daß ihr Gewissen ihnen verbietet, erneut zu töten.“
Israels Sicherheitsminister Avigdor Kahalani lobte die palästinensische Polizei für ihre „ausgezeichnete Arbeit“ und die intensive Kooperation mit der israelischen Polizei. Mehrere palästinensische Geheimdienstchefs, darunter Dschibril Radschub und Amin al-Hindi, waren nach israelischen Angaben persönlich in die Suchaktion involviert. Kahalani sagte allerdings auch: „Es scheint, daß die Zusammenarbeit einfacher ist, solange es nur um Autodiebstähle und die Festnahme von kriminellen Mördern geht.“ Ein Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu meinte gegenüber der Jerusalem Post, die schnelle Verhaftung der Täter habe gezeigt, wozu die Autonomiebehörde in der Lage sei: „Dies ist ein Beispiel für das, was wir von der Autonomiebehörde in allen Sicherheitsfragen erwarten.“
Palästinensische Menschenrechtsorganisationen kritisierten dagegen das Verfahren. Die Jugendlichen seien in einem einstündigen Prozeß vor einem militärähnlichen Tribunal verurteilt worden. Sie hätten nicht einmal einen Anwalt gehabt und seien gar nicht in der Lage gewesen, sich zu verteidigen. Ein Sprecher der Palestine Human Rights Monitoring Group erklärte, er sei sehr wohl der Meinung, daß Mörder bestraft werden müßten. Doch sei dies auch in einem fairen und ordentlichen Verfahren möglich.
Erste Vermutungen, wonach es sich um einen politisch motivierten Mord handelte, wurden von der israelischen Polizei dementiert. Der Mord sei „rein kriminell“ und habe keine „terroristischen Hintergründe“, sagte ein Sprecher. Die Täter hätten es nur auf das Geld und das Fahrzeug ihres Opfers abgesehen gehabt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen