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Schröder erpreßt Entwicklungsländer

Der SPD-Kanzlerkandidat in spe will künftig Entwicklungshilfe nur noch dann zahlen, wenn die betreffenden Länder ihre hier abschiebebedrohten Flüchtlinge wieder ins Land lassen  ■ Von Jan Feddersen

Berlin (taz) – Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder hat sich die Umfragezahlen, die im SPD-Bezirk Hannover über seine Vorschläge zu Fragen der Inneren Sicherheit ermittelt wurden, sofort zu Herzen genommen: Zweidrittel der Sozialdemokraten zeigten sich einverstanden mit dem Kurs ihres Spitzenmannes bei den Landtagswahlen im Frühjahr 1998.

In einem Interview mit der Berliner Morgenpost schlug Schröder nun vor, die Vergabe von Finanzhilfen vor allem an schwarzafrikanische Staaten von deren Mitarbeit bei der Abschiebung von Landsleuten aus der Bundesrepublik abhängig zu machen. Bislang gebe es Schwierigkeiten, Ausländer, die abgeschoben werden sollen, tatsächlich in ihr Heimatland zurückzubringen. Viele nichtanerkannte Flüchtlinge und verurteilte Straftäter haben ihre Pässe vernichtet und weigern sich, ihre Herkunft anzugeben.

Bei der Ermittlung ihrer Identitäten mangele es den nichteuropäischen Staaten an Kooperationswillen. Das müsse sich ändern – und zwar mit Hilfe gerade jener Länder, die zugleich aus dem Etat für Entwicklungshilfe Unterstützung bekommen. Geredet werden müsse, so Schröder anknüpfend an einen ähnlichen Vorschlag Außenminister Klaus Kinkels (FDP), „über Hilfen jedweder Art“.

Seine Idee möge dennoch nicht als „Junktim“ mißverstanden werden, beteuert der in allen Umfrageergebnissen immer populärer werdende Schröder. Eine Erpressung also sei seine Idee nicht: „Aber wir können doch von Staaten, denen wir helfen, eine Berücksichtigung unserer Interessen erwarten.“

Applaus bekam Schröder sofort von Entwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger wie auch vom FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle. Der CSU-Politiker sagte, ein Staat müsse bereit sein, „bei der Rücknahme seiner Staatsangehörigen zu kooperieren“. Drastischer fiel die Stellungnahme des Liberalen aus. Gegenüber der Bild teilte er mit: „Wenn ein Staat entgegen seiner völkerrechtlichen Verpflichtung nicht bereit ist, in Deutschland straffällig gewordene Ausländer zurückzunehmen, dann müssen wir diesem Staat die Entwicklungshilfe kürzen oder streichen.“ Kritik erntete Schröder indes von seiner Parteigenossin, der schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten Cornelie Sonntag-Wolgast: „Entwicklungshilfe bekommen sowieso nur die ganz armen Länder – ihnen jetzt zu drohen, halte ich für verfehlt. Die Ausländerbehörden sollten lieber weiter Kärrnerarbeit leisten und herausfinden, woher die Abzuschiebenden kommen.“ Daß das von Schröder angesprochene Problem – Ausländer in Abschiebehaft ohne Adresse – gelöst werden müsse, bestreitet sie nicht: „Aber so einfach können wir es uns nicht machen.“ Sonntags grüne Bundestagskollegin Angelika Beer meinte nur: „Kaum kriegt Schröder Unterstützung durch die SPD, traut er sich schon an die nächste Schweinerei heran.“

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