Kohl will Waigel aussitzen

■ Für den Kanzler ist nichts passiert: Von Waigels Abschiedsplänen hat er gewußt – und mit der Kabinettsumbildung hat das sowieso nichts zu tun. Andere aus CDU und FDP nennen Waigels Äußerungen unbedacht und schädlich

Bonn (taz) – Bundeskanzler Helmut Kohl will Theo Waigel jetzt nicht von seinem Amt als Finanzminister entbinden, obwohl der CSU-Chef öffentlich erklärt hat, nach Ablauf der Legislaturperiode für diesen Posten nicht mehr zur Verfügung zu stehen. „Die Erklärungen Theo Waigels beziehen sich auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Daher besteht kein Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über eine Kabinettsumbildung“, ließ Kohl gestern in Bonn erklären. Theo Waigel werde „selbstverständlich“ als Finanzminister daran mitwirken, die „dringend notwendigen Reformen in der Steuer- und Rentenpolitik“ durchzusetzen. Kohl betonte, die Position Waigels sei ihm bekannt gewesen. „Ich respektiere seine Haltung und verstehe seine Entscheidung, zumal ich weiß, daß er nicht amtsmüde ist.“ Mit keinem Wort ging der Kanzler darauf ein, daß Waigel selbst vor zwei Wochen eine Kabinettsumbildung und eine „neue Mannschaft“ gefordert hatte, die in dieser Zusammensetzung nach den Wahlen weiterregieren solle.

Während Kohl sich im Zusammenhang mit Waigel nun schon zum zweiten Mal während seines Urlaubs um Schadensbegrenzung bemühte, übten andere Politiker aus den Reihen der Liberalen und der CDU harsche Kritik am Finanzminister. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle appellierte an die CSU, „nun wirklich mal den Vorhang im Sommertheater“ fallen zu lassen. FDP-Präsidiumsmitglied Walter Döring forderte den Finanzminister gar zum Rücktritt auf. Waigels Ambitionen auf den FDP-geführten Posten des Außenministers seien aussichtslos. „Aus dem ,Herrn der Löcher‘ wird ganz bestimmt kein ,Herr der Lüfte‘“, sagte Döring.

Als schädlich hat der saarländische CDU-Chef Peter Müller Waigels Äußerungen bezeichnet. Wenn das Kabinett tatsächlich noch vor der Wahl umgebildet werden solle, dann müsse dies schnell geschehen. Der CDU-Spitzenkandidat in Niedersachsen, Christian Wulff, plädierte gegenüber der taz für eine „ergebnisoffene Strategierunde im September“, auf der „ohne Tabus und ohne Erbhöfe“ über Kabinettsumbildung und Neuzuschnitt der Ressorts gesprochen werden solle. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung wachse der Druck auf Kohl, Unions-Fraktionschef Schäuble ins Kabinett zu berufen. Er könnte für Wirtschaft und Finanzen verantwortlich sein. bg

Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10