Finanzpyramide begräbt Oligarchenfamilie

■ Roberto Mathies Hill wollte El Salvadors Präsident werden. Jetzt sitzt er im Knast

San Salvador (taz) – Vor zwei Monaten noch war Roberto Mathies Hill ein junger Mann mit glänzender Vergangenheit und großer Zukunft. Der Sproß einer der reichsten Familien El Salvadors besaß eine Finanzierungsgesellschaft und Beteiligungen an einem Firmenimperium. Seine Fußballmannschaft ließ er sich Millionen kosten. Und als Sprecher der Unternehmer in der rechten Regierungspartei Arena war er aussichtsreicher Anwärter auf eine Kandidatur um die Präsidentschaft des Landes. Der Traum ist geplatzt. Mathies Hill sitzt seit sechs Wochen in Untersuchungshaft. Ihm wird der größte Betrug in der Geschichte des Landes vorgeworfen. Umgerechnet rund 200 Millionen Mark soll er zur Seite geschafft haben.

Um den Finanzskandal ranken sich Geschichten um Drogenhandel, Entführungen, Korruption und politischen Machtkämpfen. Das System der vierzehn Oligarchenfamilien, seit einem Jahrhundert Basis der salvadorianischen Gesellschaft, wankt. Das Geld, das Mathies Hill veruntreut haben soll, stammte von Anlegern, die in seine Finanzierungsgesellschaft „Finsepro“ investiert hatten. Kunden, die ihr Geld diskret zu Zinsen von zwanzig Prozent und mehr unterbringen wollten, bediente der Mittdreißiger über zehn Jahre lang mit der illegalen Parallelgesellschaft „Insepro“.

Hill investierte die Einlagen vorwiegend in den Autohandel, unter anderem in „Caribe Motor“, den Generalvertreter von VW in El Salvador. Aber das Geschäft lief schlecht. Um seine Kunden mit Zinsen bedienen zu können, mußte Mathies Hill immer neue Anleger finden. So lange, bis die Pyramide zusammenbrach. Doch inzwischen mehren sich die Hinweise, daß bei dem Bankrott jemand nachhalf.

Der Zeitpunkt der Pleite kam einem alten Widersacher der Familie Mathies sehr gelegen: Alfredo Cristiani, von 1989 bis 1994 Präsident des Landes. Cristiani hatte 1991 das vorher verstaatlichte Bankenwesen privatisieren lassen und dabei sich und seinem Freundeskreis die lukrativsten Stücke vorbehalten. Roberto Mathies Regaldo, der Vater des Pleitiers ging damals leer aus. Weil er einen Staatskredit in Millionenhöhe mitgehen ließ, der bei der Privatisierung gelöscht wurde, ließ ihn Cristiani seinerzeit per Haftbefehl suchen.

Cristiani galt, seit er Anfang 1992 mit der linken FMLN-Guerilla Frieden geschlossen hatte, als moderate Führungsfigur der Rechten, der auch für eine zweite Präsidentschaft gut war. Vor zwei Jahren aber verschwand er von der politischen Bühne. Der Sohn eines engen Freundes war entführt worden. Dem Vernehmen nach forderten die Entführer Cristianis Rückzug aus der Politik.

Den Zusammenhang zwischen der Entführung und dem inhaftierten Mathies Hill stellte Staatsanwalt Douglas Melendez her. Die Polizei hatte in einer Firma des ebenfalls einsitzenden Oberbuchhalters des Bankrotteurs ein hinter falschen Wänden verstecktes Büro gefunden. Bei der Durchsuchung wurde ein Geheimarchiv entdeckt: mit Dossiers über die wichtigsten Persönlichkeiten des Landes, darunter auch Cristiani. Seine Besitztümern waren aufgelistet, Steuererklärungen kopiert und selbst geheime Liebschaften notiert worden. „Das Archiv“, sagte Staatsanwalt Melendez, „enthält brisante Informationen, die man mit Entführungen in Verbindung bringen könnte.“

Cristiani und seine Gruppe haben seither wieder Oberwasser. Im September wird ein neuer Vorsitzender der Regierungspartei Arena gewählt. Der Sieger gilt gleichzeitig als fast sicherer Präsidentschaftskandidat für die Wahl 1999. Die Gruppe um den Oligarchen Mathies Regalado ist jetzt chancenlos. Der Patriarch selbst wird wieder per Haftbefehl gesucht und hat sich ins Ausland abgesetzt.

Der Zusammenbruch der Mathies-Gesellschaften „Finsepro“/ „Insepro“ hat gezeigt, wie labil und korrupt das salvadorianische Finanzwesen ist. In den Redaktionen lokaler Zeitungen kursieren Listen über das Ausmaß der seither begonnenen Kapitalflucht. Die Krise könnte zuletzt auch den Bankier Cristiani einholen. Denn der Skandal um „Finsepro“, schreibt die Zeitung Zentralamerikanische Universität, „bringt die wirtschaftliche Stabilität des ganzen Landes in Gefahr“. Toni Keppeler