: Rabulistischer Rauch
■ Philip Morris verspricht, was es eh nicht halten will
In den Vereinigten Staaten ist wirklich alles möglich. In Florida verkündete Geoffrey Bible, Chef von Tabakmulti Philip Morris und Herrscher über Marlboro Country, er würde keine Zigaretten mehr produzieren, wenn bewiesen würde, daß Rauchen Krebs verursacht. Am selben Tag erklärte Richard Thomas, fröhlicher Armeepensionär aus Chicago, er verklage seine Frau Sally, damit sie das Rauchen aufgibt: Er liebe sie so und wolle nicht, daß sie am Nikotin sterbe. Was die beiden Äußerungen gemein haben? Beide sind nicht ernst zu nehmen. 800 Milliarden Zigaretten stellt Bible im Jahr her, 130 für jeden Menschen auf der Welt. Und dieser Mann behauptet, er würde keine Zigaretten mehr herstellen, wenn ihm jemand etwas sagen würde, was alle schon wissen? Zwei Marlboro- Männer, samt dem ehemaligen Marketingdirektor John Landry, der diese Kampagne erfand, sind bereits an Lungenkrebs gestorben. Alle drei Raucher. Aber auch diese persönliche Anschauung nutzt nichts. Seine eigenen Forscher, fordert Bible listig, müßten das feststellen.
Natürlich werden die das niemals feststellen. Oder sie haben es bereits festgestellt und die Studie wieder verschwinden lassen.
Daß sie mit ihrer Haltung bislang durchkamen, sicherten nicht zuletzt hohe Geldspenden an Politiker. Allein 1995 strichen die Republikaner 2,4 Millionen Dollar für ihren Wahlkampf ein – und Philip Morris war ganz vorn bei den Spendern dabei. Bob Dole versprach, zigarettenfeindliche Politiker von der Macht fernzuhalten. Er verlor. Nun macht Präsident Clinton weiter Druck.
Auch die Prozesse nahmen zu und zeitigten Erfolge: In 300 Verfahren mußte die Industrie allein 600 Millionen Dollar an ihre Anwälte zahlen. Nun wurde endlich ein Vergleich ausgehandelt mit 40 Bundesstaaten. 368 Milliarden Dollar sollen in Gesundheitsfonds gezahlt werden. Der Vergleich ist schon wieder gefährdet, weil er US-Präsident Clinton nicht weit genug geht. Philip-Morris-Chef Bible steht auf schwachem Posten. Da verspricht man schon mal etwas Nettes, was man eh nicht halten kann.
Denn ein Zigarettenmulti, der freiwillig keine Zigaretten mehr herstellt, das ist selbst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht möglich. Matthias Urbach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen