: Warum gibt es nur in Britannien soviel BSE?
■ Laut Studie werden in der EU die meisten Fälle von Rinderwahn nicht bekannt. Schuldzuweisungen wegen britischem Fleisch in Deutschland. Belgier auch dabei
Berlin (taz/dpa/rtr) – Die Statistiken der EU-Länder geben nicht das wahre Ausmaß der Rinderseuche BSE wider, so ein Report, der in einer britischen Zeitschrift für Tierärzte veröffentlicht wurde. Die Zahl der tödlichen BSE- Erkrankungen bei aus Großbritannien exportierten Tieren liege tatsächlich sechsmal so hoch wie offiziell angegeben. So seien in Deutschland nur fünf Fälle festgestellt worden, obwohl es hochgerechnet 243 sein müßten. Die Autoren der Studie befürchten, daß sich BSE bei einer so hohen Dunkelziffer in Europa rasant ausbreiten könnte, wenn infizierte Tiere zu Tierfutter verarbeitet würden.
Laut der Berliner Boulevard- Zeitung B.Z. wurden von 1983 bis 1989 55.400 Rinder zu Zuchtzwecken aus Großbritannien in andere europäische Länder exportiert. Nach den bekannten Wahrscheinlichkeiten müßten davon etwa 1.640 an BSE erkranken. Aus den betroffenen europäischen Ländern wurden jedoch nur 285 Fälle gemeldet, davon die meisten in der Schweiz. Schon im März und Juni dieses Jahres hatten Schweizer BSE-Experten ähnliche Vorwürfe in der taz erhoben: Nur weil in der Schweiz die Überwachung der Rinder besser sei als in den EU- Ländern, seien dort im Verhältnis mehr Rinder an BSE erkrankt.
Unter Berufung auf die neue Studie erwägt Großbritannien, den EU-Ministerrat einzuschalten. Der britische Landwirtschaftsminister Jack Cunningham sagte am Samstag in London, offenbar gäben einige Staaten Bauern finanzielle Anreize, damit sie Fälle der Rinderseuche nicht meldeten.
Ein Hamburger Fleischhändler hatte 616 Tonnen Rindfleisch aus Großbritannien nach Deutschland importiert. Etwa 120 Tonen davon wurden in Deutschland verarbeitet und teilweise gegessen, der Rest sofort weiter exportiert. Nun laufen die Ablenkungsmanöver. Kritisiert wird nicht hauptsächlich, daß Fleisch subventioniert in Europa hin und her gefahren wird. Vielmehr wird der Ruf nach strengeren Exportkontrollen in Großbritannien lauter. Das Agrarministerium in London wies unterdessen die Vorwürfe zurück. Gleichzeitig gab ein Sprecher in London zu, daß das Exportverbot für Rindfleisch erst zum 1. August 1997 in nationales Recht umgesetzt worden sei.
Der belgische Gesundheitsminister Marcel Colla erklärte, die Firma Belgameat bei Antwerpen sei geschlossen worden, weil sie 130 Tonnen Rindfleisch offenbar aus Großbritannien mit gefälschten Frachtpapieren importiert hatte. In Belgien waren in den vergangenen Monaten bereits drei Firmen geschlossen worden, die mit britischem Rindfleisch gehandelt hatten. rem
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