: Klaus Kinkel entläßt Iran aus der Quarantäne
■ Im September wollen sich die EU-Außenminister mit ihrem neuen Amtskollegen treffen. Teherans Minister für Religiöse Führung hat ein Herz für Musik und Tanz
Berlin/Teheran/Bonn (taz/rtr/ dpa) – Iran und die Europäische Union bewegen sich wieder aufeinander zu. Wahrscheinlich noch im September werden die EU-Außenminister mit ihrem neuen iranischen Amtskollegen Kamal Charrasi zusammentreffen: am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Ein entsprechendes Angebot hatte Bundesaußenminister Klaus Kinkel Ende letzter Woche gemacht. Am Montag abend erklärte Charrasi vor Journalisten, er habe mit einem solchen Treffen „kein Problem“. Auch mit dem deutschen Außenminister wolle er gern reden: „Falls Herr Kinkel an einem solchen Treffen interessiert ist, würde ich es begrüßen.“ Allerdings habe er noch kein offizielles Angebot erhalten. Gestern war der Ball wieder bei Kinkel: „Wir werden uns diesem Wunsch nach längerer Kontaktpause nicht verschließen“, sagte er der Neuen Ruhr Zeitung. Die EU solle der offensichtlich liberalen neuen Regierung Irans offen gegenübertreten.
Das Mykonos-Urteil des Berliner Kammergerichts vom 10. April, das die iranische Führung beschuldigte, Drahtzieher des Mordes an vier oppositionellen iranischen Kurden gewesen zu sein, hatte eine diplomatische Krise zwischen Teheran und Bonn zur Folge. Alle EU-Staaten außer Griechenland zogen ihre Botschafter aus Teheran ab. Gegen eine Rückkehr der EU-Botschafter hat Teheran keine Einwände, nur soll der deutsche Botschafter als letzter zurückkommen. Darauf läßt sich die EU bisher nicht ein.
Unterdessen mehren sich in Teheran die Anzeichen für eine innenpolitische Liberalisierung. So macht sich der neue Minister für Kultur und Religiöse Führung Ataollah Mohadscherani für Musik und Tanz stark. „Kultur ist unsterblich. Musik ist die Seele der Kultur“, sagte er laut einem gestrigen Bericht der Zeitung Ahbar bei einer kulturellen Zeremonie in der iranischen Hauptstadt. „Musik ist Wahrheit, und sie offenbart sich in Poesie und Tanz.“ Die orthodoxen Islamgelehrten im Iran lehnen mit Ausnahme von Marschmusik und – mit starken Einschränkungen iranischer Klassik – Musik ab. Öffentlicher Tanz ist verboten. Mohadscherani gilt als Schlüsselfigur bei den politischen und gesellschaftlichen Reformen, die von dem seit Anfang August amtierenden Regierungschef Mohammed Chatami erwartet werden. Die Zeitung Ahbar zitierte „informierte Quellen“, derzeit reorganisiere Mohadscherani sein Ministerium. Man gehe davon aus, daß er zwei bisher verbotene iranische Spielfilme freigeben werde, darunter die iranische Version des US- amerikanischen Filmes „Tootsie“ mit dem Titel „Schneemann“. Darin gehe es um einen Iraner, der sich als Frau verkleiden müsse, um ein Einreisevisum für die USA zu erhalten. taud
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