: Der Lauschangriff wird verhandelt
■ CDU, CSU, FDP und SPD wollen sich heute über die Strafverfolgung mit akkustischen Mitteln verständigen
Berlin (taz) – Mit dem großen Lauschangriff hat sich die SPD schon immer schwer getan. Selbst 24 Stunden vor dem heutigen, entscheidenden Treffen mit Vertretern der CDU, CSU und der FDP lag die Partei mit sich im Clinch.
Stein des Anstoßes war die Forderung ihres Fraktionschefs Rudolf Scharping, verdächtige Wohnungen auch per Video überwachen zu lassen. Eine Maßnahme, die auf der Wunschliste der CSU steht und in den letzten Tagen selbst in Teilen der FDP auf Ablehnung stieß. Düpiert von Scharpings Vorstoß fühlte sich der SPD- Bundestagsabgeordnete Hermann Bachmeier: Er verwies gestern auf den Parteitagsbeschluß vom November 1993, der eine Videoüberwachung nicht vorsah.
Wiederholt ist in den vergangenen Wochen der alte Beschluß von Wiesbaden von SPD-Rechtsexperten zitiert worden. Dort war beschlossen worden, die akkustische Überwachung von Wohnungen zur Verfolgung schwerer Straftaten (Mord, Totschlag, Menschenhandel u.a.) nur unter rechtlichen Auflagen zuzulassen.
Immerhin wird bei der Zustimmung zum Großen Lauschangriff wieder einmal – nach dem Asylkompromiß – Hand an das Grundgesetz gelegt: Hierfür muß der Artikel 13, der die Unverletzlichkeit der Wohnung regelt, geändert werden. Einig waren sich Union und SPD in der Interpretation des Artikels 13 in seiner bisherigen Fassung: Er lasse lediglich den präventiven Einsatz von Wanzen und Videos zu. In 15 von 16 Ländern gibt es bereits Polizeigesetze mit zum Teil unterschiedlicher juristischer Bandbreite, die im Kern aber akkustische und optische Überwachung erlauben, sofern damit Gefahren für Leib und Leben oder die öffentliche Ordnung abgewendet werden. Etwa, wenn Straftäter in einer Wohnung eine Geiselnahme planen. Die Änderung auf Bundesebene aber soll über den vorbeugenden Charakter hinaus zur Repression überleiten – also zur Beweissicherung bei der Strafverfolgung. Den Wunsch nach einer Grundgesetzänderung begründen Union und SPD mit dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen – auch wenn Sicherheitsexperten den Erfolg bezweifeln.
Der Verhandlungsführer der SPD, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Otto Schily, hatte vor einem Monat mit der Koalition einen Entwurf erarbeitet, der Wiesbaden weit hinter sich ließ. Prompt rügte die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) Schily. Vieles, was 1993 beschlossen worden sei, fehle: So die Maßgabe, daß die Staatsanwaltschaft das Abhören einer Wohnung bei einem Kollegialorgan mit mehreren Richtern nur dann beantragen dürfe, wenn zuvor eine parlamentarische Kommission zugestimmt habe. Die Kommission fehle nun ebenso wie die Maßgabe, sämtliche Gesetze, die in Folge des geänderten Artikels 13 das Abhören von Wohnungen zuließen, mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat zu verabschieden.
Unklar ist, ob der von der SPD in Wiesbaden geforderte Eingriff in das Eigentum von CDU, CSU und FDP goutiert wird. Um Gelder aus kriminellen Geschäften aufzuspüren, forderte die SPD bislang im Einklang mit den Wiesbadener Beschlüssen die Umkehr der Beweislast: Der mutmaßliche Kriminelle soll künftig vorlegen, woher sein Geld stammt. Diesen Punkt koppelt die SPD an die Zustimmung zum Lauschangriff. Doch selbst hier verschwammen die Konturen. Noch 1993 war die Beschlagnahme illegal erworbenen Vermögens – und damit die Änderung des Artikels 14 (Eigentum) des Grundgesetzes – verlangt worden. Zuletzt wurde debattiert, ob es nicht ausreiche, das Steuerrecht rigoroser anzuwenden, um illegale Gewinne abzuschöpfen. Severin Weiland
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