piwik no script img

Rückkehr des Sensenmanns

Wie mäht man politisch korrekt? Der Streit um Elektro-Cutter, Benziner und Sensen teilt Eheleute und NachbarInnen  ■ Von Heike Haarhoff

Der Sommer geht zu Ende, und der wahre Gartenfreund denkt nur noch an eins: die Mahd. Bevor die Herbstregenstürme einsetzen und die langgewachsenen Halme hinterm Haus ersäufen, müssen die Wiesen gekürzt sein.

Als modische Graslänge für die Wiese im Winter 97/98, das ergab eine taz-Umfrage in Hamburgs klassischen Englische-Rasen-Vierteln Volksdorf, Blankenese und Pöseldorf, gilt die Radikal-Rasur. Mit Wiesen nämlich verhält es sich wie mit Haustieren: Mit den Jahren paßt sich ihr Aussehen dem des Besitzers an. Aber auch langmähnige Alt-Ökos müssen irgendwann an ihre langstieligen Wildblumenwiesen ran. Nur: womit?

Benzinmäher? Elektro-Cutter? Handmäher? Sense? Die Entscheidung ist eine grundsätzliche, wie die mit dem Ei (Köpfen oder Pellen). In die Debatte um die politisch korrekte Mahd haben sich jetzt auch Verbraucherverbände eingeschaltet: „Gartengeräte mit Benzinmotor wie Rasenmäher tragen erheblich zur Ozonbelastung bei und können die Gesundheit durch Ausstoß von krebserregendem Benzol gefährden.“1,2 Millionen Ökoschweine, pardon Benzinmäher, wurden in Deutschland geoutet. Wieviele davon Hamburgs Luft verpesten, verweigert das Statistische Landesamt zu zählen.

Sicher ist nur: Frauen sind eher bereit zur ökologischen Rasenmäher-Wende: „Ich nehme seit Jahren nur noch meinen E-Mäher“, bekennt Inken D. aus Langenhorn. Der mache weniger Lärm als „unser alter Benziner“. Zur Freude ihres Gatten: „Diesen Mäher kann meine Frau allein schieben“.

Wirtschaftssenator Erhard Rit-tershaus dagegen schwört – Ozon hin oder her – als begeisterter Golfer auf Benzinmäher. Anders sei die akkurate Rasenoberfläche nicht herzustellen. Im übrigen habe er „andere Sorgen“.

Nicht so Antje H. aus Stinstedt bei Cuxhaven. Die 36jährige liegt seit Jahren „im Widerstreit mit meinem Freund“. Während sie auf die natürlichste aller Mahden setzt (Kaninchen und Schafe), mag er vom Benzinmäher nicht lassen. Antje M.: „Ich beeile mich, ihm zuvorzukommen.“Doch es gibt Hoffnung für einen Kompromiß im Beziehungsstreit: Ein Händler aus Paderborn bietet den „Husqvarna Solarmäher“an, zum Schnäppchenpreis von 3.990 Mark.

Ein Benzinmäher-Aussteiger „aus ökologischen Gründen“ist der 30jährige Ralf L. aus Eimsbüttel. „Früher“sei er immer gern und in allen Nachbargärten Benziner gefahren („weil die so schön was weghauen“), heute aber kürzt er seine „30 Quadratmeter Rasen hinterm Haus“mit dem Handrasenmäher, auch wenn das „nicht so ganz gleichmäßig“wird.

30 Quadratmeter! Detlev Grube aus Norderstedt kann nur müde lächeln. 1.000 Quadratmeter nennt er sein eigen. 70 Meter ist die Wiese hinter der Doppelhaushälfte lang. „Weißt du, wieviel Verlängerungskabel man dafür braucht?“Mit einem Handmäher sei da „nichts zu machen“. Ursprünglich wollte er es ja probieren. Wie es sich für einen GAL-Wirtschaftsreferenten gehört, kaufte Grube sich vor Jahren eine Sense. „Allein die Klinge hat über 100 Mark gekostet“, grämt er sich noch heute über die Fehlinvestition. Denn aus dem Sensen wollte nicht so recht was werden.

Erst warfen die Nachbarn (Englisch-Kurzhaar-Fraktion) vernichtende Blicke über den Zaun. Dann erkannte auch Grube: „Das macht dich tot.“Schwielen an den Händen, Muskelkater, die ständige Gefahr, sich den Unterschenkel wegzuhauen – der GALier leiht sich inzwischen wieder Nachbars E-Mäher.

Der BUND lädt am 6. 9. ab 10 Uhr auf den Teichwiesen (U-Bahn Volksdorf) zur „Sensenvorführung“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen