„Den Status quo herausfordern“

■ Gespräch mit DJ Ritu, 33. Sie gestaltet mit „Bhangra in Beds“ eine wöchentliche Sendung auf BBC-Radio. Ihr Repertoire umfaßt House, Hindi-Pop, Bhangra und Jungle

taz: Wie erklärst du dir den derzeitigen Rummel um den Asian Underground?

DJ Ritu: Diese Szene hat schon lange darauf gewartet, endlich an die Öffentlichkeit treten zu können. Talvin, Earth Tribe – diese Leute sind schon seit Jahren dabei. Es gab bloß lange keinen Ort, wohin sie hätten gehen können. Es ging darum, erst mal eine eigene Infrastruktur zu schaffen.

Die asiatische Musikszene wirkt sehr heterogen. Wie entstanden die verschiedenen Szenen?

Wen welche Musik beeinflußt hat, hängt stark mit der Herkunft, aber auch mit dem Wohnort zusammen. In Southall leben vor allem Leute aus dem Punjab, die fahren natürlich sehr stark auf ihr Bhangra ab. In Wembley gibt es viele Gadratis, die bevorzugen eher Hindi-Filmmusik, die zweite Generation steht dagegen sehr auf Swing. Im East End wiederum haben sich hauptsächlich Bangladeshis niedergelassen. In den neunziger Jahren war Jungle hier das große Ding, und Gruppen wie Joi und State of Bengal stammen von dort.

Gibt es eine Kontinuität zwischen der Bhangra-Szene, wie sie in den Achtziger blühte, und dem aktuellen Asian Underground?

Viele der Musiker, die du fragst, werden sagen, sie haben kein Interesse an Bhangra, sie halten es für Müll. Ihr Ansatz ist, Elemente klassischer indischer Musik in den westlichen Dance-Underground einfließen zu lassen. Aber die Tatsache, daß die Bhangra-Szene so stark geworden ist in England, mit einer ganz eigenen Musikindustrie, hatte fraglos einen großen Einfluß auf die Musiker.

Wo steht die Bhangra-Szene jetzt?

Nach 18 Jahren ist Bhangra immer noch da. Nicht mehr auf dem Höhepunkt, den hatte es in den späten Achtzigern, frühen Neunzigern. Aber verglichen mit dem Asian Underground ist er immer noch viel größer, was Verkaufszahlen und Popularität angeht. Eine große Halle mit einem Bhangra- Act zu füllen ist kein Problem, mit einem Underground-Act schon. Diese Musik ist noch nicht so richtig über Metropolen wie London hinausgedrungen und spricht vor allem die trendbewußten, medienorientierten Asiaten an.

Manifestiert sich da auch ein Bruch zwischen erster und zweiter Generation?

Nein. Die Leute, die die Bhangra-Szene prägen, gehören überwiegend auch zur zweiten und dritten Generation. Aber sie bevorzugen eben eine, sagen wir, traditionellere Art der Popmusik. Das hat mit Schichtunterschieden zu tun, aber auch ganz einfach mit persönlichem Geschmack. Der größte Unterschied ist, daß die Asian Underground-Szene sehr stark ein nicht-asiatisches Publikum anspricht. Es ist leichter zugänglich, was auch erklärt, warum sich die englischen Medien draufstürzen.

Hat der Asian Underground politische Bedeutung?

Klar, weil es bereits politisch ist, ein Asiate in Großbritannien zu sein. Aus diesem Grunde ist allerdings nicht nur der Asian Underground politisch, sondern auch Bhangra. Das war das erste große Ding, das asiatischen Jugendlichen in Großbritannien eine Stimme gab. Bhangra wird von einem weißen Publikum nicht akzeptiert, aber es hat Wert und birgt kulturelles Erbe. Aus diesem Grund, denke ich, ist Bhangra sogar politischer als der sogenannte Asian Underground. Vom DJ-Standpunkt aus gesehen: Ich spiele beides. Aber wenn ich Bhangra vor einem weißen Publikum spiele, weiß ich, ungefähr die Hälfte wird es nicht mögen: Es ist in einer fremden Sprache, der Beat ist traditionell, und es verkörpert eine Kultur, die von der Mehrheit als rückständig angesehen wird. Ich treffe nicht auf soviel Widerstand, wenn ich Asian Underground spiele. Aber es ist ein viel stärkeres Statement, Sachen zu spielen, die den Status quo herausfordern. Interview: Daniel Bax