Point 'n' Click
: Der aktuelle documenta-Digest

■ Die CD-ROM zur d1 einschließlich der d9 erweist sich als benutzerfreundlich

Die documenta ist so etwas wie ein Woodstock der Kunst. Daß sie nunmehr alle fünf Jahre stattfindet, macht es nicht leichter, denn nun muß der Ereignismythos um so mehr verteidigt werden. Der Kurator Harald Szeemann klagte während einer Diskussion auf der 9. documenta, daß seine d5 erst am Ende eine kluge und eben lobende Rezension erfahren habe. Wer sich jedoch die Presseausschnitte auf der documenta-CD-ROM anschaut, stellt fest, daß es durchaus schon zu einem früheren Zeitpunkt positive Kritiken gab und daß Peter Iden und Eduard Beaucamp schon vor 25 Jahren über die documenta berichteten. „Individuelle Mythologien“ heißt denn auch ein Buch von Harald Szeemann.

Dokumente sind ja angeblich die stärksten Argumente gegen Mythenbildung. Die vom documenta-Archiv betreute CD- ROM versammelt Eintragungen zu den zweitausend KünstlerInnen, die an der d1 bis d9 teilgenommen haben. Es gibt 450 neu erstellte Kurzbeschreibungen, die bisher in den Katalogen nicht zu finden waren.

Die Biographien sind jedoch karg. Neben Geschlecht, Geburtstag und Wohnort werden nur die documenta-Beteiligungen aufgezählt. Offenbar gibt es aus der Perspektive des Kasseler Archivs keine Kunstwelt neben der documenta. Warum nicht einfach die ausführlichen Ausstellungsverzeichnisse und Biographien der Kataloges eingescannt wurden, bleibt unverständlich.

Multimedia heißt heute noch immer: wenig Media. Die Benutzung der CD ist zwar vorbildlich userfreundlich, da man unkompliziert auf vorangegangene und nachfolgende Seiten, an den Anfang und das Ende springen kann, aber es müssen nur 25 Minuten Video und 30 Minuten Tonaufnahmen ausreichen, um alle Sound- und Videoarbeiten zu dokumentieren. Daneben gibt es unter den tausend Abbildungen zahlreiche bisher unveröffentlichte Installationsfotos.

Allerdings charakterisiert nur ein Foto die ganze Abteilung „Gesellschaftliche Ikonographie“ der d5. Leider sind die kurzen Einführungen zuweilen tendenziös („chaotisch“ für die d5, „nicht kunsthistorisch“ für die d9), und auch in der Auswahl der Abbildungen fehlen wichtige Positionen (zum Beispiel Blinky Palermo oder John Baldessari, der sogar in der d5-Künstlerliste vergessen wurde), während längst vergessene dokumentiert werden.

So funktioniert diese CD- ROM am besten als Ergänzung zu den vergriffenen documenta- Katalogen. Den Weg zum Kasseler documenta-Archiv erspart sie nicht. Martin Zeyn

documenta 1–9, Deutsch/Englisch, CIS Würzburg 1997, 129 Mark. Ab Windows 3.1. und 8 MB RAM oder Mac 68040 ab System 7.0