China setzt Korrespondent unter Druck

„Spiegel“-Mitarbeiter in China wurde vier Stunden lang verhört und mit Ausweisung bedroht, weil er gute Kontakte zur Familie Wei Jingshengs hat. Peking nennt es „normales Gespräch“  ■ Aus Peking Georg Blume

Chinas Regierung will aus dem Fall Henrik Bork nicht lernen. Wenn wahr wird, was die Pekinger Ausländerpolizei gestern Spiegel- Korrespondent Jürgen Kremb androhte, dann müßte bereits der zweite deutsche China-Korrespondent innerhalb von zwei Jahren das Reich der Mitte vorzeitig verlassen. Würde der Fall Kremb ebensoviel Furore machen wie der Aufenthaltsentzug für den ehemaligen China-Korrespondenten der Frankfurter Rundschau, Henrik Bork, sind die Aussichten für die deutsch-chinesischen Beziehungen alles andere als rosig. Borks zwangsweise beendeter China- Aufenthalt hatte im Herbst 1995 die Krise zwischen Bonn und Peking eingeläutet, die später in der Pekinger Absage eines geplanten China-Besuchs von Bundesaußenminister Klaus Kinkel gipfelte.

Der Fall Kremb stellt sich in der Sache zudem um vieles spektakulärer dar als der Fall Bork. Bork wurde damals vorgeworfen, denunziatorisch über die chinesische Führung berichtet zu haben. Kremb hingegen wird der enge Kontakt zur Familie des weltweit geachteten Regimekritikers Wei Jingsheng vorgeworfen. Tatsächlich unterhält kaum ein anderer Westbürger so enge Kontakte zum intimsten Umkreis des chinesischen „Nelson Mandela“ wie der Pekinger Spiegel-Mann.

Die Beziehungen zu den falschen Leuten wurden Kremb auch Mittwoch abend zum Verhängnis. Er hatte sich mit dem Bruder des Dissidenten, Wei Xiaotao, verabredet. Da der Journalist schon auf dem Weg zum Treffpunkt von Staatsbeamten verfolgt wurde, gab es zwischen Wei und Kremb nur ein Grußwort. Das reichte der Ausländerpolizei gestern als Vorwand, den früheren taz-Journalisten vier Stunden lang zu verhören.

Im Beisein eines deutschen Botschaftsvertreters warfen die Behörden Kremb vor, das Presserecht für Auslandskorrespondenten zu brechen und illegal zu recherchieren. Konkreter ließ sich der Vorwurf auch nach chinesischer Gesetzeslage nicht begründen. Es ist ausländischen Korrespondenten in Peking nicht untersagt, private Verabredungen mit chinesischen Freunden zu treffen. Lediglich bei Interviews kann die Polizei weiträumig auslegbare Regeln geltend machen, die eine vorherige Beantragung verlangen können.

Weil sie die Schwäche ihrer Argumentation selbst einsahen, verwiesen die Beamten darauf, daß Kremb für den in Peking gastierenden Menschenrechtsausschuß des Deutschen Bundestages Kontakte zu Dissidenten herstellen könnte. Der Journalist bestritt diese Vermutung. Ebenso weigerte er sich, ein Geständnis zu unterschreiben. Kremb wurde außerdem zu seiner Biographie Wei Jingshengs befragt, die in Kürze erscheint. Kremb, der im April schon einmal verhört worden war, wurde gestern mit einem Datum des Landesverweises bedroht: Möglicherweise sei der 13. Janaur 1998, der Tag, an dem sein jetziges Visa auslaufe, Krembs letzter Tag in China.

Wie ernst es Peking mit den deutschen Journalisten meint, bestätigte Regierungssprecher Sheng Guofang. Die deutsche Botschaft solle ihre Bürger in China dazu erziehen, daß sie den Gesetzen folgen. Der Sprecher war bestens informiert, obgleich die polizeiliche Vernehmung Minuten zuvor geendet hatte. Das Kremb-Verhör bezeichnete Sheng als „gewöhnliches Gespräch“.