: Vom Abwenden einer Revolution
■ Um Prinzessin Diana trauernde Massen setzen die gebeutelte britische Königsfamilie unter Druck – die ganze Welt schaut zu
Showbiz in Schwarz: Alle großen Fernsehanstalten Deutschlands, also ARD, ZDF, RTL, Sat1 und ProSieben wollen morgen die Beerdigung Prinzessin Dianas life übertragen. Und dabei sogar gänzlich auf Werbung verzichten. Schade eigentlich: „Dieser Leichnam wird Ihnen präsentiert von ARD und ...“ ja, was hat Fahrer Henri Paul eigentlich geschluckt? Der Arme. Auch er wird morgen begraben, im Familienkreis in der Bretagne. Auf seinem Grabstein wird stehen: „Er hatte keine Lizenz“. Das jedenfalls wurde gestern bestätigt.
In 187 Länder der Welt soll die Beerdigung übertragen werden. Selbst aus Kuba meldet die britische Vertretung bereits 250 Eintragungen in die Kondolenzbücher, sogar einige Funktionäre der KP seien darunter, hieß es. Kein Wunder, hat doch Diana jetzt geschafft, was im revolutionären Kuba als höchste Tugend gilt: „Ser como el Ché“ – so sein wie der Ché, seit fast genau 30 Jahren...
An mindestens zwei Millionen Menschen geht die ganze TV-Geschichte jedenfalls völlig vorbei: Die werden sich selbst in London die Beine in den traurigen Bauch stehen, den Sarg der Prinzessin wahrscheinlich trotzdem nicht sehen können, sondern wie beim Michael-Jackson-Konzert auf Großbildwände schauen. Paßt irgendwie: Der ist auch immer so blaß. Sein Konzert im belgischen Ostende am Mittwoch abend hat er ganz der Prinzessin gewidmet, und seinerseits ein Riesenporträt Dianas hinter der Bühne aufgehängt. Ob es aber stimmt, daß der Künstler eine neue 36stündige Konzept-CD – eine Stunde für jedes Lebensjahr Dianas – unter dem Titel „Herstory“ produzieren will, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen.
Alle trauern, nur die Queen wollte sich zurückhalten – und zog damit den ganz unüblichen Zorn der Boulevardpresse auf sich. „Euer Volk leidet, sprecht zu uns, Hoheit!“ titelte gestern der Mirror. Adel verpflichtet, sagt statt dessen das Haus Windsor, nämlich zur Einhaltung der Regeln – und Diana hat nun einmal nach ihrer Scheidung den Titel „königliche Hoheit“ verloren. Monarchie verpflichtet – sagt die Times und mahnt die Windsors, die Regeln den Erfordernissen anzupassen, damit die Trauerstimmung „nicht auf häßliche Weise umschlage“. Der Independent gar schreibt, die Königliche Familie benehme sich angesichts der Volkstrauer, „als ob draußen vor dem Buckingham-Palast eine Revolution stattfinde – und sie könnte recht haben“.
Ja, so ist es. Die alte Gesellschaft liegt in Trümmern, Paparazzi, Autofahrer und Könige werden von Revolutionstribunalen abgeurteilt, Michael Jackson wird neuer Präsident der ehemals britischen Insel, ab morgen international bekannt als Vereinigtes Dianistisches Trauerreich. Wird alles nicht. Die Queen redet doch. Heute. Eine opportunistische Monarchin. Bernd Pickert
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