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■ Die Gewalt in Ruanda eskaliert, weil der Konflikt sich internationalisiert. Die Armee des Kongo ist zum Eingreifen bereit, die Rebellen sammeln sich in TansaniaKrieger ohne Grenzen

Die Gewalt in Ruanda eskaliert, weil der Konflikt sich internationalisiert. Die Armee des Kongo ist zum Eingreifen bereit, die Rebellen sammeln sich in Tansania

Krieger ohne Grenzen

Es wird wieder gemordet in Ruanda. Beim jüngsten großen Massaker starben 148 Menschen im Flüchtlingslager Mudende bei Gisenyi im Nordwesten des Landes. Die Opfer des nächtlichen Angriffs am 21. August waren Tutsi, die einst aus Zaire vor dem Mobutu-Regime geflohen waren. Die Täter waren aller Wahrscheinlichkeit nach ruandische Hutu-Milizen.

Seit Monaten sind im Nordwesten Ruandas wieder jene Milizionäre anzutreffen, die den Völkermord an den ruandischen Tutsi 1994 verantworteten, dann nach Zaire flohen, hochgerüstete Flüchtlingslager errichteten und 1996–97 nach der Eroberung der Lager durch die zairischen AFDL- Rebellen unter Laurent-Désiré Kabila wieder vertrieben wurden. Mehrere Bataillone mit Tausenden Hutu-Kämpfern sollen nun im Nordwesten Ruandas aktiv sein. Ruandas heutige Tutsi-dominierte Armee hat ihrerseits in das Kampfgebiet 9.000 Soldaten entsandt.

In der dichtbesiedelten, bergigen und bewaldeten Region ist der Blutzoll hoch. Amnesty international sagte im August, „Tausende unbewaffnete Zivilisten“ seien von der Armee getötet worden. Der Militärkommandant der Region sprach nur von „Hunderten“ toten Zivilisten und dazu von 3.000 getöteten Hutu-Kämpfern. Er fügte aber hinzu, es sei „sehr schwierig, bewaffnete Rebellen von Zivilisten zu unterscheiden“.

Mit massiven Armeeoperationen ist es der ruandischen Regierung jetzt offenbar gelungen, die Hutu-Milizionäre an der Eroberung zusammenhängender Gebiete zu hindern, wie es im Juli kurzzeitig der Fall gewesen sein soll. Statt wie früher in Dörfer einzudringen und angebliche Sympathisanten der Milizen – zu denen auch verängstigte Zivilisten gezählt wurden – exemplarisch hinzurichten, setzt die Armee nun die Bewohner der vielen entlegenen Berghöfe in Selbstverteidigungsgruppen zur Verfolgung der Hutu- Milizionäre ein. „Wir haben zwar noch keinen gefangen, aber seitdem wir mit der Armee zusammenarbeiten, gibt es keine Toten mehr“, berichtet ein Bewohner gegenüber AFP. In Reaktion greifen nun die Hutu-Milizen bevorzugt Zivilisten als Kollaborateure der Regierung an.

Die Gewalt in Ruanda eskaliert vor allem deshalb, weil der zugrundeliegende Konflikt sich internationalisiert. In Burundi herrscht seit 1993 Bürgerkrieg zwischen Hutu-dominierten Rebellen und dem Militärregime, das von Tutsi beherrscht wird. 200.000 Menschen sind dabei bisher ums Leben gekommen. Im Westen und Norden Ugandas kämpfen verschiedene Guerillagruppen gegen das Regime von Präsident Yoweri Museveni, der als „Pate“ der Regierungen in Ruanda und Kongo gilt. Erstmals gab es in diesem August Bombenanschläge in der Hauptstadt Kampala, die zehn Tote forderten.

Der gesamte Osten des Kongo ist trotz des Sieges der Kabila-Rebellen über die Mobutu-Diktatur im Mai dieses Jahres Bürgerkriegsgebiet. Jede Ethnie hat eigene Milizen; dazu kommen Aktivitäten ruandischer Hutu und ehemaliger Mobutu-Soldaten. UN-Mitarbeiter sprechen von „wahllosem Terror“; der Gouverneur der Provinz Nord-Kivu um Goma, Leonard Gafundi, nannte Mitte August 50.000 Tote in der am schlimmsten betroffenen Region Masisi westlich von Goma.

Die verschiedenen Kriegsfronten sind inzwischen dabei zu verschmelzen. Auf Regierungsseite ist das eindeutig, denn seit dem Sieg Kabilas sind Uganda, Ruanda, Burundi und Kongo erstmals miteinander verbündet, und die verschiedenen Armeen arbeiten nach Bedarf zusammen. Gestern sagte Kabila, die Armee Kongos stehe bereit, in Nachbarländern zu intervenieren, wenn diese es wünschten.

Nun ist auch auf der Gegenseite eine Vernetzung zu beobachten. Ende August meldeten UN-Stellen die Bildung einer „Allianz für Demokratischen Widerstand“ aus ruandischen Hutu-Gruppen, der wichtigsten burundischen Rebellenbewegung CNDD (Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie), sowie ugandischer und kongolesischer Guerillaführer. Das militärische Hauptquartier der Gruppe befände sich in der tansanischen Stadt Kigoma am Tanganyika-See, wo etwa 75.000 Flüchtlinge aus dem Kongo leben.

CNDD-Sprecher Jerome Ndiho wollte dies gegenüber der taz nicht direkt bestätigen, sagte jedoch, es sei „offensichtlich“, daß die Kooperation zwischen den Regierungen „diese Gruppen dazu verleitet, den Zusammenschluß zu suchen“. Seit Monaten ist bekannt, daß von Tansania aus über den Tanganyika-See bewaffnete Aktionen gegen den Kongo gestartet werden, während Burundis Regierung überzeugt ist, daß unter den 300.000 burundischen Flüchtlingen in Tansania auch ruandische Hutu- Milizionäre aktiv sind. Allmählich scheint das Staatsgebiet Tansanias zum Rückzugsgebiet diverser Rebellengruppen zu werden.

Auch die Größen der gestürzten Mobutu-Diktatur suchen in diesen Spektrum ihren Platz. Als ein Führer der „Allianz für Demokratischen Widerstand“ wird Anzuluni Bembe genannnt, bekannter Politiker aus der Provinz Süd-Kivu und Vizeparlamentspräsident unter Mobutu. Zwei exilierte Minister von Mobutus letzter Regierung, Außenminister Kamanda wa Kamanda und Informationsminister Kinkiey Mulumba, verkündeten Ende August die Bildung einer „Sammlung Kongolesischer Patrioten“, mit dem Ziel, „die isolierten Widerstandsaktivitäten zu vernetzen“.

Besonders alarmierend ist das deshalb, weil es einer Fortsetzung des 1994 unvollendet gebliebenen Völkermordes an den Tutsi in Ruanda den Boden bereitet. Sprecher so unterschiedlicher Gruppen wie die CNDD in Burundi und die einst führende zairische Oppositionspartei „Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt“ (UDPS) reden vom zu bekämpfenden „Tutsi-Reich“, das sich nunmehr von Uganda über Ruanda und Burundi bis in den Kongo erstrecke.

Mehr als Feindschaft gegen die Tutsi ist an politischer Ideologie kaum zu erkennen – CNDD-Sprecher Ndiho qualifiziert die Regierungen der Region als „faschistoid“, der UDPS-Vertreter in Südafrika, Kimwana Nakeya, spricht dagegen von der „Rückkehr des Kommunismus“. Aber alle rufen sie zum grenzüberschreitenden „Bantu-Befreiungskrieg“ auf. Es ist schwer zu sehen, was dieser Krieg anderes bringen könnte als die wirtschaftlichen Aufbaubemühungen zu zerstören und die Militarisierung von Politik und Gesellschaft weiter zu legitimieren. Dominic Johnson

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