■ Normalzeit
: Unterwerfung – mit Augenzwinkern

Das gilt wohl für viele Auftragsarchitekturen, hier jedoch für die 18 kollektiven Vordiplom- Arbeiten der HdK-Architekturklasse von Professor Kelp. Dabei ging es um die Konstruktion eines neuen Imbißkiosks aus der Analyse eines an die Wand geworfenen mehr oder weniger weichen Gegenstands (Stoppung) – im Geiste des modernen „Snacks“. Die besten Arbeiten sollen bei einer „Kiosk“-Ausstellung der Architekturgalerie „Aedes“ berücksichtigt werden.

Anfänglich irritierten mich die ironischen Präsentationen der Arbeitsgruppen, die ihre Argumentationen nur simulierten – und möglichst mit einem Witz abbremsten, der ihr Projekt umriß: „Der Raum (U-Bhf Weinmeisterstraße) als Snack“ oder der als Video vorgeführte BVG- „Wunschautomat“. Kommilitonen-Applaus erhielt der Pkw-Kiosk mit ausfahrbarer „Verkaufsblume“ (aus Metall). Dozenten- Applaus bekam eine für den Hackeschen Markt standardisierte Kioskbatterie – wegen ihrer zeichnerisch überzeugenden Pragmatik.

Eher skeptisch wurde dagegen die Idee eines Imbißgeflechts auf dem Kulturforum aufgenommen, auf dessen variable Wände Berlin-Ansichten projiziert werden. Auch das Modell „Flugzeugküche mit Paravant drumherum“ sah Filmprojektionen vor, hier war die „zeitgemäße Konsumform“ jedoch auch noch nach witzigen „Lifestylen“ ausdifferenziert – mit szenetypischen Speise- und Getränkeangeboten. Mehrere Arbeitsgruppen sahen die Fortentwicklung des Kiosks im Automaten, eine entwarf zum Beispiel für den Alexanderplatz drei Ausgabe-Stelen, die von unterirdischen Kiosken gespeist werden.

Eine andere Gruppe plazierte dafür ihre raumschiffähnlichen Imbißstände auf die Flachdächer von Hochhäusern. In einem dazugehörigen „Manifest“ sprach sie vom „Imbißtendenceday: Die Stadt definiert den Imbiß – bis zum Tag X, ab da definiert der Imbiß die Stadt“.

Drei Ebenen sah der Kiosk der Gruppe Friedrichstraße vor – mit „Suppe und Literatur“, als eine „Hommage an die Subkultur“. Noch aufwendiger war der Kiosk am Hermannplatz, der neben Gemüse, Obst und Säften Filmprojektionen und Fernseher mit Infos über die Filmkünstler anbot. Auch das Internet fand mehrmals als „Snack“ Verwendung. So zum Beispiel in einem von sechs „Automatensäulen“ vor dem Bundesrechnungshof. Die Arbeitsgruppe Tofu-Imbiß bot dagegen einen Realsnack an einem 1:1-Kiosk an, den sie im HdK-Foyer aufgebaut hatte.

Politisch von den Erfahrungen der „Innenstadtaktion“ geprägt war das Modell „Adlon Total“, das aus dem Masterplan für den Salon der Republik (Pariser Platz) zitierte: Dort soll einmal eine „Häufung maximaler Kompetenz“ stattfinden. Der Arbeitsgruppe ging es um eine Umsetzung solcher „Klischees in Essen“, wobei sie die Hälfte des Hotel Adlon zu einem Imbiß umrüsteten, um eine Vermischung von Reich und Arm zu ermöglichen. Während viele Kioskkonzepte sich Kritik aus der Wirklichkeit gefallen lassen mußten, erntete dieser abstrakt-politische Witz nur Anerkennung.

Auch ein Obdachlosenkiosk an den Yorkbrücken, hinter dem sich ein ganzes Unterkunftskonzept bis hin zur Lebensmittel- Selbstversorgung auftat, bekam viel Lob, wenn auch seine ästhetische Umsetzung als nicht zwingend angesehen wurde. Der letzte Vortrag kam vom Flugblatt als „Infosnack“ auf schwimmende Kioske und Fließbandtheken – wie vom Hölzchen aufs Stöckchen, was eine TU-Architekturdozentin zu der Bemerkung veranlaßte: „Bei uns sind die Stundenten technisch versierter, können aber nicht so gut argumentieren.“

Keine der Arbeitsgruppen hatte es jedoch für notwendig erachtet, einmal mit den – zumeist ausländischen – Berliner Kioskbesitzern über deren Wünsche und Probleme zu sprechen – bevor sie ihrer Mittelschicht-Phantasie die virtuellen Sporen gaben. Auf der HdK-Toilette fand ich dazu später den passenden Spruch: „Das Reh springt hoch, das Reh springt weit. Warum auch nicht, es hat ja Zeit!“ Helmut Höge

wird fortgesetzt