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Gescheiterter Fluchtversuch ins Umland

■ Ein Knacki sticht dem anderen Knacki kein Auge aus. Nur wenn es um die Verlegung in ein Brandenburger Gefängnis geht, hört die Freundschaft auf und fängt der Rufmord an

Dem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, sich sein Knastleben so angenehm wie möglich zu gestalten. Da wird dann auch schon mal die 36. Strafkammer des Landgerichts Berlin bemüht, um seine Wünsche durchzusetzen. Knacki Wolfgang H., für sieben Jahre von den Freuden eines normalen Gesellschaftslebens ausgeschlossen, war des Gefängnislebens in der Justizvollzugsanstalt Moabit überdrüssig. Ihn zog es mehr nach Brandenburg, raus aus der Hektik eines Großstadtgefängnisses.

Doch dieser Wunsch erwies sich nach den Regeln der Bürokratie als nahezu unerfüllbar. Schließlich ist ein Gefängnis kein Hotel, das man bei schlechtem Service und unfreundlichem Personal einfach wechseln kann. Da gehört schon ein gutstrukturierter Plan dazu, um die Sache ins Rollen zu bringen. Ein geplanter Mordversuch eines früheren Kumpels und damaligen Mitgefangenen in der JVA Moabit schien da der geeignete Anlaß.

Andre T. hätte schließlich auch guten Grund gehabt, sich des gefängnismüden Exdrogendealers zu entledigen. Immerhin hatte Wolfgang H. seinerzeit in einem Drogenprozeß vor der 6. Strafkammer „gesungen“ und damit seinen langjährigen Freund und Partner Andre T. für volle neun Jahre hinter Gitter befördert. Anlaß genug also für Andre T., zwei Mitgefangene für ein kleines Entgelt von 30.000 Mark auf das Leben von Wolfgang H. anzusetzen. Das schockierende vermeintliche Angebot reichte schließlich aus, Andre T. für versuchte Anstiftung zum Mord vor Gericht und für Wolfgang H. die erwünschte Verlegung zu bringen. Die zwei Statisten für den wundervollen Plan waren auch bald gefunden. Die Mitgefangenen H. und L. konnten für eine Aussage vor der Kripo gewonnen werden, nachdem sie von Wolfgang H. beruhigt worden waren: „Da wird schon nichts passieren.“

Offenbar passierte doch etwas, denn es wurde umgehend ein Ermittlungsverfahren gegen den beschuldigten Andre T. eingeleitet, das ihn schließlich auf die Angklagebank der 36. Strafkammer brachte. „Ich habe gedealt und Geschäfte gemacht, das war okay“, sagte er aus. Nebenbei hatte er auch noch in einem umfangreichen Drogenprozeß 63 Kleingangster ans Messer geliefert. Nach der belastenden Aussage von Wolfgang H. „durfte er sich das dann mal selber ansehen“, wie es ist, verpfiffen zu werden. „Mord ist aber nicht meine Sache“, versicherte er. Die beiden Mitgefangenen H. und L. konnten schließlich Licht in das Dunkel bringen. Die Zeugenaussage von Knacki H. trug nicht nur zur allgemeinen Erheiterung der Anwesenden bei, sondern brachte auch die Aussage von Wolfgang H. ins Wanken. Er könne sich an nichts mehr erinnern, erklärte Zeuge H., und das sei schließlich auch nicht weiter verwunderlich. Immerhin sei er – nach eigenen Angaben – im Gefängnis unter dem Namen „Alzheimer“ bekannt. Auf die Frage nach einer von ihm unterschriebenen Zeugenaussage kam er nur zu der deprimierenden Erkenntnis, daß die, die ihn verhört hätten, ihm schon von früher bekannt seien: „Die dichten oft mal was dazu.“

Zeuge L. schließlich konnte die Sache völlig aufklären: Das alles sei eine Lüge. Wolfgang H. hätte die Sache nur erfunden, um nach Brandenburg verlegt zu werden, klärte er auf.

Die gewünschte Verlegung war bereits vor der Verhandlung in die Wege geleitet worden. Offensichtlich zur vollen Zufriedenheit von Wolfgang H: Sein Einfallsreichtum hat sein Knastleben nicht nur angenehmer gemacht, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch verlängert. Corinna Budras

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