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Machtverlust bringt einen Batzen Geld

Immer mehr Gemeinden sind bereit, sich ihr Mehrfachstimmrecht beim Energiemulti RWE abkaufen zu lassen. Die Vorentscheidung über den Deal fällt noch in diesem Monat  ■ Aus Essen Walter Jakobs

Jetzt sind die Kämmerer aus knapp 80 Kommunen dran. Ihnen wollen die Abgesandten aus der Essener Zentrale der Rheinisch- Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) das Modell „Geld gegen Stimmen“ schmackhaft machen. Im Kern zielt die von RWE-Chef Dietmar Kuhnt entwickelte Konstruktion darauf ab, die Kommunen zu bewegen, durch den Verkauf ihrer Mehrfachstimmrechte freiwillig ihren beherrschenden Einfluß im Konzern aufzugeben.

Knapp 80 Kommunen halten zur Zeit rund 30 Prozent am Grundkapital von RWE. Weil ihre Namensaktien mit 20fachem Stimmrecht ausgestattet sind, verfügen sie bei der RWE-Hauptversammlung mit 58,9 Prozent der Gesamtstimmen über eine komfortable Mehrheit. Organisiert wird die kommunale Macht vom Verband der kommunalen Aktionäre (VKA), in dem Stadtdirektoren und Bürgermeister von SPD und CDU die Fäden ziehen.

Etwa 100 Kreis- und Stadtdirektoren, Landräte und andere Politiker in den Beiräten und Aufsichtsräten des RWE-Konzerns künden von einer höchst erfolgreichen Strippenzieherei. Darüber hinaus schafften gut 20 kommunale Spitzenpolitiker den Sprung in die Vorstandsetagen der RWE-Gesellschaften. Postenschieberei lief stets nach dem schwarz-roten Proporz. So sitzt dem ehemaligen Duisburger Oberstadtdirektor Richard Klein (SPD) im Vorstand der RWE-AG der einstige Stadtdirektor aus Neuss, Franz-Josef Schmitt (CDU), zur Seite. Mitunter ging das Geschachere im VKA- Präsidium selbst führenden Sozis gegen den Strich. So fühlte sich der frühere SPD-Fraktionschef Friedhelm Farthmann schon mal an die „Methoden der Mafia“ erinnert.

Daß der allmächtige schwarz- rote RWE-Filz jetzt geneigt scheint, Macht gegen Bares abzutreten, hängt nicht zuletzt mit einem Bonner Gesetzentwurf zusammen. Käme der von der Bundesregierung noch nicht verabschiedete Entwurf durch, drohte den Kommunen der entschädigungslose Verlust des Mehrfachstimmrechtes – nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Vorschrift wird zwar von einigen Juristen bestritten, doch eine Garantie für einen Sieg vor dem Verfassungsgericht folgt daraus für die Kommunen nicht. Deshalb, so räumt VKA-Geschäftsführer Kiwit ein, „hat die Bereitschaft zu Verhandlungen über den Verkauf der Mehrfachstimmrechte deutlich zugenommen“. Zumal das von Kuhnt präsentierte Modell „außerordentlich intelligent und attraktiv“ ausfalle.

Im einzelnen schlägt der RWE- Chef den Kommunen vor, jeweils 19 der mit ihren Namensaktien verbundenen 20 Stimmrechte an die Inhaber stimmrechtsloser Vorzugsaktien zu verkaufen. Vorzugsaktionäre bekämen dadurch stimmberechtigte Stammaktien, die an der Börse weit höher dotiert werden. Mitte August notierten die RWE-Stämme mit 81,30 Mark, während RWE-Vorzüge für 66,80 Mark zu haben waren. Als Entschädigung böte sich die Kursdifferenz als Ausgleichszahlung an. Fänden sich genügend Abnehmer aus den Reihen der Vorzugsaktionäre, stünde den Kommunen ein Erlös zwischen 1,5 und 2 Milliarden Mark ins Haus.

Eine Vorentscheidung fällt voraussichtlich während der VKA- Versammlung am 23. und 24. September. Die letzte Entscheidung liegt bei den Räten der Kommunen. Sie müssen einem möglichen Verkauf auf jeden Fall zustimmen.

Ginge es nach Dominik Kegel, einem von drei Grünen in der 89köpfigen VKA-Versammlung, würde RWE-Chef Kuhnt wohl bald sein Ziel erreichen. Bei einer „anständigen Vergütung“ sieht Kegel keinen Grund, den Verkauf abzulehnen. Energiepolitisch erwartet der grüne Kommunalpolitiker von „einer sauberen Trennung zwischen RWE und der Kommunalpolitik“ nur Vorteile: „Überall da, wo die Kommunen nicht mit RWE verflochten sind, fällt eine fortschrittlichere Energiepolitik leichter als in RWE-Kommunen.“

Der VKA-Vorsitzende und Leverkusener Oberbürgermeister Walter Mende (SPD) dagegen will den kommunalen Einfluß bei RWE künftig auch deshalb sichern, damit „ökologische Aspekte der Stromversorgung [...] nicht zu kurz kommen“. Kegel hält solche Aussagen für schlichte Propaganda. Tatsächlich gebärde sich der VKA in Sachen Ökologie wie eine „Blockademacht“. So werde ein von mehreren Kommunen eingebrachter Antrag, mit dem RWE aufgefordert werden sollte, für regenerative Energien kostendeckende Vergütung zu gewähren, von der VKA-Versammlung schon „seit mehr als einem Jahr verschleppt“.

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