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Waigel pumpt seinen Nachfolger an

■ Der Bundesfinanzminister bucht Ausgaben für den 98er Haushalt in die Zukunft um. Seine Erben zahlen die Zeche

Berlin (taz) – Finanzminister Theo Waigel bucht erneut Milliarden vom Konto seiner Nachfolger ab. Der Haushaltsentwurf für 1998, der heute im Bundestag debattiert wird, führt weiter in die Schuldensackgasse. Zwar rechnet Waigel offiziell damit, daß er bei Ausgaben von 461 Milliarden Mark nur 57,8 Milliarden Mark mit Krediten finanzieren muß. Doch tatsächlich hat er dafür mal wieder ein paar Schattenhaushalte eingerichtet.

Ein Beispiel ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Bisher verfügte sie über einen Fonds von 1,135 Milliarden Mark, mit dem sie den Bauern Getreide, Butter und Rindfleisch zu festgelegten Konditionen abkaufte. Darauf haben die Landwirte nach EU- Verträgen ein Recht – und das wird auch so bleiben. Doch Waigel hat den Fonds aufgelöst und einfach auf der Einnahmenseite seiner Bilanz verbucht. „Das ist, wie wenn das Mutterunternehmen der Tochterfirma das Kapital entzieht“, erläutert Peter Blanckertz, Vizepräsident der Bundesanstalt. Ende 1998 wird der Fonds verfrühstückt sein, doch die Ausgaben bleiben. „Die Bundesanstalt muß sich Geld leihen und dafür Zinsen zahlen. Das wird letztendlich viel teurer“, konstatiert die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Kristin Heyne.

Für eine andere „Sparidee“ soll sogar ein Gesetz geändert werden. Waigel will in den kommenden drei Jahren die Altschulden der Bahn nicht tilgen, so wie es das Bundeseisenbahnneugliederungsgesetz vorschreibt. Darin ist festgelegt, daß der Bund 1998 Schulden in Höhe von 2,8 Milliarden Mark abtragen muß. Tut er aber nicht. Weil man damit im 98er Haushalt dieses Geld spart, behauptet das Finanzministerium dreist, so einen „Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushalts“ zu leisten. „Das Gegenteil ist der Fall. Ohne Tilgung wächst der Schuldenberg“, sagt dagegen Bernhard Strowitzki, wissenschaftlicher Mitarbeiter des PDS-Abgeordneten Winfried Wolf. Denn die Tilgung der Bahnschulden wird nur verschoben. Dafür kommen die Zinsen dazu.

Während der Bundesfernstraßenbau 107 Millionen Mark zusätzlich bekommen soll und 1998 rund 8,25 Milliarden Mark zur Verfügung hat, will der Bund bei den Schieneninvestitionen zumindest buchungstechnisch sparen. Statt der vorgesehenen 7,2 Milliarden Mark sollen nur 6,7 Milliarden für Gleisbau zur Verfügung stehen. Die fehlenden 500 Millionen Mark soll die Bahn AG selbst aufbringen. Gespart wird auch hier in der Zukunft: Die Bahn muß einige zinslose Darlehen nicht, wie bisher vorgesehen, an den Bund zurückzahlen.

Kritik gibt es nicht nur von seiten der Opposition. Wenn der Finanzminister sich heute vor den Bundestag stellt, werden wohl auch viele Koalitionäre nicht begeistert sein. Bei einer Klausurtagung am Wochenende kamen die Haushaltspolitiker Dietrich Austermann (CDU) und Wolfgang Weng (FDP) zu dem Schluß, daß der vorgelegte Entwurf schon wieder am Rande der Verfassungsmäßigkeit liegt. Das Grundgesetz schreibt nämlich vor, daß die Neuverschuldung die Investitionen nicht überschreiten darf. Doch Waigel will nur 400 Millionen Mark mehr investieren als Kredite aufnehmen – und dabei sind die Schattenhaushalte noch nicht einmal mitgerechnet. Wenn die Einnahmen nur ein Quentchen unter den Prognosen liegen, wofür vieles spricht, muß Waigel genau wie in diesem Jahr die „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ ausrufen. Die Ausnahme würde zur Regel. Annette Jensen Bericht Seite 4, Kommentar Seite 10

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