piwik no script img

Mythos Bande

■ Erste Urteile im Neuwiedenthal-Prozeß – Mitgliedschaft in Gang Spekulation

Die berüchtigte „Stubbenhof-Gang“scheint sich als Mythos zu entpuppen. Jedenfalls dreien der insgesamt acht angeklagten 16-20jährigen im sogenannten Neuwiedenthal-Verfahren sei nicht nachzuweisen, daß sie Mitglieder einer Bande waren, resümierte gestern der Vorsitzende Richter Günter Bertram, als er die ersten Urteile in dem aufsehenerregenden Prozeß um Jugendkriminalität verkündete. Er habe nur über Straftaten von Einzelnen zu entscheiden gehabt, „die natürlich mit der allgemeinen Situation in Neuwiedenthal verknüpft sind“. Den zuvor öffentlich erhobenen Vorwurf, die „Stubbenhof-Gang“hätte im Februar den 17jährigen Mirco in den Tod getrieben, erwähnte er nicht einmal. Mirco hatte bei seinem Selbstmord in einem Abschiedsbrief von Schutzgelderpressungen berichtet.

Zwei der drei gestern abgeschlossenen Verfahren wurden eingestellt, der Heranwachsende Numan K. wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. „Das war eine große Schweinerei“, gab Bertram dem 20jährigen noch mit auf den Weg. Numan K. habe sich gewaltsam Zutritt zu der Wohnung einer Bekannten verschafft, die dort mit ihrer kleinen Tochter lebt „und sich mit Sozialhilfe und Kindergeld durchs Leben schlagen muß“. Gerade hatte sie 950 Mark für sich und ihr Kind abgeholt, als Numan K. das Portemonnaie in der Küche fand und mit Gewalt an sich nahm. Drei Jahre lang läuft nun die Bewährungsfrist gegen den 20jährigen, der zur Zeit wegen einer anderen Sache in Untersuchungshaft sitzt.

Die „allgemeine Situation in Neuwiedenthal“wird auch in dem Restverfahren gegen vier Jugendliche zur Sprache kommen. Die Verlesung dieser Urteile, das kündigte Bertram bereits an, wird wegen ihres Alters nicht öffentlich sein. „Ich bedauere das sehr. Die aktuelle Diskussion um Jugendgerichtsverfahren gäbe viel Anlaß, die Öffentlichkeit zuzulassen.“ Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen