■ Bosnien: Karadžić verliert den Machtkampf gegen Plavšić
: Niederlage des totalitären Denkens

Die alten Mechanismen des Machterhalts wirken immer weniger. Das mußte Radovan Karadžić in Banja Luka zur Kenntnis nehmen. Der alte Trick von Milošević Ende der 80er Jahre, seine Gegner mit Massendemonstrationen einzuschüchtern, zieht heute nicht mehr. Selbst der Umstand, daß jedem Teilnehmer 200 Mark versprochen sowie für Essen und Trinken gesorgt wurde, hat lediglich 1.000 Leute motiviert, als „serbisches Volk“ für Karadžić und Krajišnik die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

Die Aktion entlarvt das totalitäre Denken, das hinter diesen Mobilisierungen steckt, die kaum verhüllte Gewaltbereitschaft, den anmaßenden Anspruch, für die gesamte Nation zu sprechen. Und deutet darauf, daß die Führung in Pale die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hat. Hätte sie sich daran erinnert, daß selbst der damals mächtige rumänische Präsident Ceaușescu stürzte, nachdem er 20.000 Bergarbeitern in Bukarest freie Hand gegeben hatte, Oppositionelle niederzuknüppeln, hätte sie vielleicht einen solchen Schritt nicht unternommen.

Daß dieser Totalitarismus in absehbarer Zeit keine Chance mehr hat, sich durchzusetzen, liegt nicht nur an der guten Zusammenarbeit von serbischen Polizisten aus Banja Luka mit den internationalen SFOR- Streitkräften. Vor allem basiert die Niederlage der Radikalen darauf, daß der größte Teil der serbischen Bevölkerung in der Republik Srpska die Nase voll hat von den „nationalen Idealen“. Die Menschen wollen einfach ein normales Leben führen. Und deshalb neigt sich die Waage zugunsten von Biljana Plavšić.

Ihre Antikorruptionskampagne ist wirkungsvoll. Wer selbst einen leeren Magen hat, mag nicht mehr für eine „selbstlose“ nationale Führung kämpfen, die ihre Devisen in den einschlägigen Bankenmetropolen hortet. Daß die internationale Gemeinschaft dennoch dazu neigt, relativ sanft mit Pale umzugehen, hat mit den Kommunalwahlen zu tun. Die für das kommende Wochenende geplanten Wahlen platzen zu lassen wäre Pales letzter Trumpf.

Wer sich jedoch den Erpressungen beugen will, lädt sich nur Folgeprobleme auf. Nur wenn man bei der Strategie bleibt, die totalitären Machtstrukturen in Bosnien-Herzegowina zu zerschlagen, besteht eine Chance für einen wirklichen Frieden und Wiederaufbau. Und dies ist wichtiger, als die anstehenden Kommunalwahlen um jeden Preis wie geplant durchzuführen. Erich Rathfelder