: „Den deutschen Frauen um Lichtjahre voraus“
■ Amerikanische Frauen haben Chuzpe, die deutschen sind im Management kaum vorhanden. Cherylyn Harley über ihre deutsch-amerikanischen Eindrücke
Cherylyn Harley, 31, Juristin, ging 1996/97 im Rahmen eines Programms für amerikanischen Führungsnachwuchs der Robert- Bosch-Stiftung nach Deutschland. Sie arbeitete u.a. in der Hauptabteilung Handel von Mannesmann in Düsseldorf. Um einige Illusionen ärmer, kehrte sie zurück.
taz: Was fiel Ihnen als Amerikanerin in einer deutschen Chefetage auf?
Cherylyn Harley: Die Abwesenheit von Frauen. Die wenigen bekannten Frauen in der deutschen Wirtschaft, wie Birgit Breuel, sind zu ihren Positionen gekommen, weil sie aus dem Geldadel kommen oder die Ochsentour hinter sich haben. Aber wo sind die jungen Aufsteigerfrauen?
Sie vermißten vor allem die Frauen Ihren Alters?
Ja. Für mich hängt die Position der Frauen in Deutschland zusammen mit dem Verhältnis zur Jugend. In der deutschen Wirtschaft bringt man jungen Leuten wenig Respekt entgegen. Aus Amerika war ich es gewohnt, daß man auf junge Leute zugeht, sie anleitet und ihnen dabei sehr viel Verantwortung überläßt. Dabei werden Fehler gemacht, aber so wird gelernt. In Deutschland ist man eher darauf bedacht, Fehler zu vermeiden. Ein Beispiel: Frauen – und überhaupt junge Leute – stellen vielleicht mal telefonischen Kontakt her zu einem Geschäftspartner. Die Verhandlung selbst aber führt ein Alteingesessener.
Woher kommt der Unterschied?
Amerikanische Frauen haben Chuzpe, das fehlt deutschen Frauen, dieses Draufgängerische, diese Bereitschaft, etwas zu wagen.
Sie kommen aus Deutschland in ein Land zurück, in dem Affirmative Action, jenes Programm, das Arbeitgeber und Behörden dazu anhält, für ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter zu sorgen, unter starken Beschuß geraten ist. Ist in Amerika das Ende der Frauenemanzipation erreicht?
Ich habe das Gefühl, daß wir amerikanischen Frauen den deutschen um Lichtjahre voraus sind, da müßte einiges geschehen, bis ich – gemessen an deutschen Verhältnissen – einen Rückschritt bei uns registriere. Interview: P. Tautfest
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen