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„Wir sind kein BetreuungsAldi“

■ 10 000 demonstrierten gegen die Kürzungen bei Kindertagesstätten Von Kai von Appen

„Es ist fünf vor zwölf!“ Auf die Minute genau gab Martina Lizow von den evangelischen Kindertagesstätten (Kita) den Startschuß für schrillen Protest. Tausend Wecker klingelten gestern pünktlich um 11.55 Uhr auf dem Rathausmarkt, um Hamburgs rot-grauen Senat wach zu läuten. Protestgrund: die geplante Kürzung von 12 Millionen Mark bei den Kitas.

10 000 Kinder, ihre Mütter und Väter sowie Kita-ErzieherInnen waren gestern zum Protestmarsch durch die City erschienen. „Das Schrillen unserer Wecker muß die Ohren der Politiker erreichen – es ist höchste Zeit aufzustehen, um die Politiker, die nur bis zum Tellerrand des nächsten Wahltermins gucken, wachzurütteln,“ mahnte ÖTV-Vize-Chefin Margrit Zepf. „Die Zukunft unserer Kinder ist wichtiger als Bebauungspläne oder breite Straßen.“ Es sei ein Skandal, wenn sich in Hamburg Autos „problemloser bewegen können als Kinder.“

Zepf zum Sparhaushalt: „In dieser reichen Stadt fällt den Politikern nichts besseres ein, als bei den Kindern den Rotstift anzusetzen.“ Für die Gewerkschafterin sind die Kürzungen bei den Kitas nicht hinnehmbar, die dafür in Aussicht gestellte „Halb-Tagesschule“ lediglich eine „Mogelpackung“. Sie befürchtet: „Die Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für die Erzieher wird das Wohl unserer Kinder beeinträchtigen.“ Mutter Sabine Wilst ergänzte: „Wir brauchen Horte, in denen sich Kinder bewegen und entwickeln können.“ Ein Transparent brachte es auf den Punkt: „Marktwirtschaft bei Kitas? Wir sind kein BetreuungsAldi.“

„Investitionen in die Verbesserung der Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen sind Investitionen in künftige Lebenqualilät und eine bessere Zukunft“, so Margrit Zepf weiter. Den Kindern von heute soll eine Perspektive gegeben werden, damit sie nicht am Hauptbahnhof oder in Spielhallen landen. Zepf kündigte weitere Protestaktionen des grün-kirchlich-gewerkschaftlichen Aktionsbündnisses an. „Einen Wecker kann man überhören, 1000 Wecker rauben den Politikern den Schlaf.“

Unterdessen hat der Hamburger Senat Pläne bestätigt, in Eimsbüttel, Altona, Wandsbek sowie in Hamburg-Nord Teile von Schulhöfen zu verkaufen, um 14 Millionen Mark zur Finanzierung weiterer Kita-Plätze zu erwirtschaften.

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