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„Es fehlt nur ein Postkasten“

■ Bauwagenbewohner erobern Altenwerder / Neuer Wohnplatz neben der Kirche / Strom- und Hafenbau droht mit Polizei Von Kai von Appen

Hamburg hat einen weiteren Bauwagenplatz: Seit Sonntag mittag campieren fünf Männer nebst ihren rollenden Unterkünften sowie zwei Hunden auf einer idyllischen Wiese in Altenwerder, die in einigen Tagen per Planfeststellungsbeschluß der Hafenerweiterung geopfert werden soll. Die Wirtschaftsbehörde ist über die Altenwerder Neubürger wenig erfreut. Sprecher Rainer Erbe: „Als Grundeigentümer werden wir mit den Leuten reden und sie auffordern, das Gelände zu verlassen.“

Die „Bauis“ standen zuvor mit ihren Gefährten auf dem Bauwagenplatz an der Ottenser Gaußstraße. „Der Platz ist völlig überfüllt, es herrscht eine unwahrscheinliche Aggressivität – und dann die vielen Hunde.“ Bereits am gestrigen Abend wollten daher noch weitere Bauwagenbewohner aus Altona den Weg über die Elbe antreten, um Streß und Siff zu entfliehen.

Auf dem grünen Biotop neben der Altenwerder Kirche mangelt es an fast gar nichts: „Das ist doch hier eine zentrale Lage. Alle 20 Minuten fährt ein Bus nach Altona, in 30 Minuten ist man da.“ Einen Tante Emma-Laden gibt es noch in Altenwerder, da könne man Kleinigkeiten für's Frühstück einkaufen. Der Großeinkauf wird dann in Finkenwerder erledigt, ist ja nur „'ne halbe Stunde mit dem Fahrrad.“ Einen 2500 Liter fassenden Tankwagen mit Trinkwasser haben die Leute mitgebracht, Strom wird über eine Solaranlage erzeugt. Einzige Einschränkung: „An der Ecke fehlt ein Postkasten.“

Einige Bewohner träumen von einer idyllischen Zukunft. „Ich will hier Ackerbau betreiben und vielleicht einige Hasen und Hühner zur Selbstverwertung halten.“ Auf dem Platz sollen umgangsfreundliche Verhaltenregeln gelten. „Hier kommen nur vernünftige Leute drauf.“ Leute, die nachts rücksichtslos ihre Musikanlage aufdrehen, seien nicht erwünscht. Und auch Umweltschutz wird groß geschrieben: „Unter jedem Trecker muß eine Plane liegen, damit kein Öl auf die Wiese leckt. Und dieses Grundstück ist kein Schraubgelände für Trecker.“

Unmittelbar nach der Ankunft am Sonntag hatten die Bauis schon staatlichen Besuch: „Minutenlang kreiste ein Polizeihubschrauber über uns – vielleicht haben die uns gefilmt.“ Gestern morgen erschienen zwei Arbeiter vom Amt für Strom- und Hafenbau der Wirtschaftsbehörde und fragten, ob eine Genehmigung vorliege? „Wir haben gesagt, die GAL hat uns den Platz zugewiesen.“

Doch heute könnte es schon ernst werden. Behördensprechr Erbe: „Wir haben die Polizeidirektion-Süd informiert: Falls die Leute nicht freiwillig gehen, werden wir Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs stellen.“

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