piwik no script img

Baden gehen oder Arbeit haben

Im sachsen-anhaltinischen Zeitz soll ein Zellstoffwerk entstehen. Das Nachbarland Sachsen bangt um die Wasserqualität der Weißen Elster  ■ Aus Leipzig Robin Alexander

Ein Flüßchen ist die Weiße Elster, die aus Tschechien ihren Weg über Thüringen nach Sachsen-Anhalt und Sachsen findet. Zu DDR-Zeiten von Industrieabwässern geschunden, hat sich das Gewässer seit der Wende gut erholt. Gewässerstufe II bis III, melden die Behörden.

Doch diese Erholung könnte nur eine Atempause bleiben. Die Harpen AG, ein Konzern aus Dortmund, plant die Errichtung eines Zellstoffwerkes bei Zeitz (Sachsen-Anhalt). Das Werk soll „Weltmaßstab“ haben, so die Investoren. 500.000 Tonnen Zellstoff sollen hier pro Jahr hergestellt werden, heute produzieren alle deutschen Werke 700.000 Tonnen.

Dennoch könnte ein Markt für den zusätzlichen Zellstoff vorhanden sein. Die deutsche Wirtschaft hat auch im Jahr 1996 mehr Papier verbraucht als hergestellt. Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) forderte erst letzte Woche, die heimischen Holzreserven stärker zu nutzen.

Rohstoff in Zeitz soll denn auch Kiefern- und Fichtenholz aus Deutschland sein. Die Abwässer des geplanten Werkes sollen in die Weiße Elster fließen.

Genau dort entzündet sich der Konflikt. Harpen möchte ein ECF- Verfahren (Elementar Chlorfrei- Verfahren) anwenden. Dieses Verfahren verzichtet nicht völlig auf Chlor, das hochgiftig ist und schwer abbaubar. Ohne Chlor kommt das TCF-Verfahren (Total Chlorfrei) aus. Diese Sauerstoffbleiche ist allerdings teurer.

Für Bedenken gegen das von ihm geplante ECF-Verfahren hat Edmund Heller von der Harpen AG kein Verständnis: „Wollt ihr baden oder Industrie?“ äußerte er gegenüber lokalen Medien. Obwohl die Entscheidung offiziell noch nicht gefallen ist, argumentieren die Manager schon jetzt: „Das ECF-Verfahren wird aus Qualitätsgründen in Fachkreisen favorisiert.“

Greenpeace widerspricht dieser Einschätzung deutlich. Umweltfreundlich gebleichtes Papier habe mittlerweile die gleiche Reißfestigkeit und eine gute Helligkeit. Der skandinavische Konkurrent Söbra produziert bereits Zellstoff im umweltfreundlichen Stil.

Dem Projekt Zellstoffwerk Zeitz muß in den kommenden Monaten das Regierungspräsidium Halle zustimmen. Dort wartet man aber zunächst einmal die Ergebnisse einer gerade angelaufenen Umweltverträglichkeitsprüfung ab. Kleiner Schönheitsfehler: Die Studien über die Auswirkung der Verschmutzung werden von Gutachtern angefertigt, die der Investor auswählt und bezahlt.

Von Zeitz fließt die Weiße Elster nach Sachsen. Dort positionieren sich die Behörden schon klar gegen das Großprojekt. „Harpen betreibt Umweltdumping. Mit dem Druck von Arbeitsplätzen soll unter Mißachtung geltenden Rechts Gewässerverschmutzung in Kauf genommen werden“, sagt Leo Artmann, zuständig für den Umweltschutz im Regierungspräsidium Leipzig. Das Verfahren hätte von den Hallenser Behörden längst gestoppt werden müssen.

Doch das Engagement des sächsischen Regierungspräsidiums gegen das Zellstoffwerk in Anhalt ist nicht ausschließlich ökologisch motiviert. Man streitet auch für die eigene Industrie. In Böhlen, auch am Lauf der Weißen Elster, aber in Sachsen, verschmutzen ein Braunkohlekraftwerk und Chemiebetriebe das Wasser. 4.000 Arbeitsplätze hängen hier am Recht auf Gewässerverschmutzung.

Dort sieht man das Großprojekt mittlerweile mit gemischten Gefühlen. „Auch ich kann die Entscheidung für das weniger umweltfreundliche Bleichverfahren nicht verstehen“, sagt Oberbürgermeister Dieter Kmielczyk. Die Initiative der sächsischen Behörden findet der parteilose OB aber „unfair angesichts der Arbeitslosenzahlen von 27 Prozent hier in Zeitz“.

Kmielczyk und seine Bürger haben alles getan, um das große Zellstoffwerk nach Zeitz zu bekommen. Ein altes Hydrierwerk wurde von ABM-Kräften demontiert, ein Areal von 80 Hektar ist mit neuen Straßen, Erdgas- und Stromleitungen für den Investor vorbereitet. In Zeitz hofft man auf Jobs durch Folgeinvestitionen und redet von Papierfabriken und Druckereien. Oberbürgermeister Kmielczyk bleibt vorsichtig: „Harpen muß sich schon anstrengen, um eine Genehmigung zu bekommen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen