: 20 Jahre Strömen
■ Buchladen im Ostertor feiert Geburtstag
20 Jahre Buchladen Ostertor. Für jeden Linken ein Grund, in Stolz zu schwelgen. Ha! Alternative Arbeits-, Denk-, Lebenskonzepte haben also doch mehr Durchhaltepower und Überlebenskompetenz als ihnen gemeinhin zugeschrieben werden. 20 Jahre Buchladen: Auch ein Grund, eine nostalgische Träne abzudrücken. Zum Beispiel dann, wenn Mario Bernabeo von jener wunderbaren Vision erzählt, die damals - einst - in vergangenen Tagen Holger Mertins, Gitti Mossmann und Monika Fredebrech den Laden auf die Beine stellen ließen: „Auch ging es darum die unterschiedlichen Strömungen der Linken zusammenzuführen.“Von Strömungen zu hören, in einer Zeit wo allerorts nur noch Rinnsale dümpeln, stimmt traurig. So groß die Hoffnungen damals, so beschissen der Zustand der Linken heute - was aber kein Grund sein darf, die Hoffnungen niederzunörgeln.
Na, was solls. Das Quartett, das heute den Laden – nicht mehr als Kollektiv, sondern als GmbH – führt, hält sein Baby jedenfalls mit viel Realismus am Leben. Zwei-gleisigkeit nennt sich das Erfolgsgeheimnis. Für all diejenigen, deren Orientierungsrahmen von der Spiegel-Bestsellerliste formatiert wird, präsentiert man sich als sogenannte Vollsortiment-Buchhandlung. Das alte, treue Stammpublikum allerdings „soll uns wiedererkennen als das, was wir immer schon waren“: eine Projekt, das die unterschiedlichen Strömungen der Linken...Genau!
Noch immer ist also die Buchhandlung Heimat all jener Bewegungen, die vor 20 Jahren an den gesellschaftlichen Rändern angesiedelt waren: Frauenbewegung, Ökologie, Kinderliteratur, Dritte-Welt-Initiativen.
„Das Leseverhalten aber hat sich verändert“, meint Bernabeo. So gibt es heute nicht mehr diese absoluten Muß-Bücher, bei deren Unkenntnis man unweigerlich rot anzulaufen hatte, wie zum Beispiel – abschreckendes Beispiel – Svende Merians „Tod eines Märchenprinzen“oder – erfreuliche Erinnerung – Wallraffs „Aufmacher“und „Ganz Unten“, Dieter Duhms „Angst im Kapitalismus“und Peter Paul Zahls „Die Glücklichen“. Auch wird ähnliches anders gelesen: Verklemmtheitsforscher Wilhelm Reich nicht mehr als Kapitalismuskritiker, sondern als esoterischer Lebenshelfer. Auch inflationäres Anwachsen von Krimilektüre ist aufschlußreich: Lesen darf, soll - bei manchen leider auch - muß Spaß machen.
Tatsache ist, daß es immer noch sehr viele Menschen gibt, die sich riesig freuen über die Geburtstagsfete am Samstag im Moments. bk
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