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Es geht um den Studienstandort Deutschland. Da immer weniger Ausländer im Land der Dichter und Denker studieren, hat Bildungsminister Rüttgers trotz knapper Haushaltskassen ein spezielles Förderprogramm aufgelegt. Doch nun scheint alles ums

Es geht um den Studienstandort Deutschland. Da immer weniger Ausländer im Land der Dichter und Denker studieren, hat Bildungsminister Rüttgers trotz knapper Haushaltskassen ein spezielles Förderprogramm aufgelegt. Doch nun scheint alles umsonst: Innenminister Kanther befürchtet eine illegale Einwanderung

Ausländer rei... raus

Der Balsam für die geschundenen Seelen der Berliner Universitätspräsidenten wirkte nicht lange. Im April hatte Bundespräsident Roman Herzog höchstpersönlich die von ständigen Kürzungen gebeutelten Chefs von Technischer, Freier und Humboldt-Universität mit nach Japan genommen. Die traditionell ausländerfreundlichen Berliner Unis, hieß es hinterher, sollten „besondere Formen der Betreuung“ entwickeln. Das werde den Austausch mit Studierenden aus Fernost erleichtern.

Doch wie der universitäre Internationalismus durch Betreuung zu fördern wäre, ist auch heute, ein halbes Jahr nach dem Japan-Besuch, noch völlig unklar: Sollen Tutoren oder Mentoren – das sind ältere Semester bzw. Professoren, die die Uni-Grünschnäbel an die Hand nehmen – den Studis das Humboldtsche Bildungsideal nahebringen? Werden spezielle Seminare angeboten? Wird vielleicht statt Deutsch Englisch als Kurssprache geduldet?

„Das kann ich Ihnen nicht sagen.“ Die ratlose Antwort der Japan-Flieger korrespondiert mit der tristen Realität nichtdeutscher StudentInnen hierzulande. In Sachen Betreuung hinken die deutschen Universitäten dank ihres miserablen – so der Fachjargon – Betreuungsverhältnisses weit hinterher: In den USA sitzt der Professor mit einer fünf- bis zehnköpfigen Gruppe zusammen. Hierzulande drängeln sich selbst in den Seminaren bis zu hundert Leute. Für nichtdeutsche Studierende ist das besonders fatal. Die harren stundenlang und oft vergebens vor Türen der Professoren aus.

Widerstand gegen die Internationalisierung kommt sogar von den deutschen Kommilitonen. „Manche einheimische Studenten klagen dagegen, prüfungsrelevante Lehrveranstaltungen in Englisch hören zu müssen“, berichtet Christian Tauch von der Hochschulrektorenkonferenz.

Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) hat der traurigen Situation den Kampf angesagt. Mit viel Propaganda und wenig Geld will er „die partnerschaftlichen Beziehungen und Kontakte in das außereuropäische Ausland“ verbessern. Bis zum Jahr 2000 stehen 30 Millionen Mark für das Angebot bereit, „international ausgerichtete Studiengänge“ an Hochschulen zu fördern. Mitte Oktober beginnen die ersten englischsprachigen Kurse – gerade 13 sind es, die unter den Tausenden deutschsprachigen auftauchen.

Pluspunkt: fehlende Studiengebühren

„Ruck, zuck hatten wir Bewerbungen aus dem Ausland“, berichtet Stefan Werner, Betreuer einer der neuen Studiengänge. Der Fachbereich Elektrotechnik der Uni-Gesamthochschule Duisburg bietet ab Oktober „Informations- und Kommunikationstechnik“ an – gemischt Deutsch/Englisch und mit dem international anerkannten Abschluß eines Master of Science. Studierende aus allen Kontinenten sind vertreten. Gelockt hat sie vor allem ein Umstand: daß es in Deutschland keine Studiengebühren gibt. „Das hat die Leute am meisten vom Hocker gerissen“, sagt Betreuer Werner.

Die internationale Nachfrage nach Hochschulabschlüssen „made in Germany“ ist tatsächlich verbesserungsbedürftig. Statistisch steigt zwar die Zahl der ausländischen Studierenden – seit der Wiedervereinigung um ein gutes Viertel. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, wer für den Anstieg verantwortlich ist: die Bildungsinländer. Das sind Hochschulberechtigte mit deutschem Schulabschluß und ausländischem Paß; sie stellen fast die Hälfte der 140.000 nichtdeutschen Studierenden. Der Anteil der „echten“ Auslandsstudenten liegt bei vier Prozent, 1990 waren es noch sechs Prozent. Verglichen mit dem EU-Durchschnitt von sieben Prozent steht das Land der Dichter und Denker schlecht da.

Doch während Bildungsminister Rüttgers und auch Außenminister Klaus Kinkel (FPD) den Zugang ausländischer Studenten zu deutschen Hochschulen erleichtern wollen, versucht ihr Kabinettskollege Manfred Kanther (CDU) genau dieses Ansinnen zu behindern. Nach den neuen, derzeit von der Koalition diskutierten, Verwaltungsvorschriften des Innenministers zum Ausländerrecht sollen ausländische Studis zum Beispiel nur noch in den Semesterferien arbeiten dürfen. Die Einreisemöglichkeiten sollen verschärft werden. Vor allem aber: Die Promotionsfähigkeit ihrer Studenten und Studentinnen müssen die Uni- Präsidenten in Zukunft persönlich gegenüber der Ausländerbehörde beglaubigen. Der Minister wünsche offensichtlich, daß „das Ausländerrecht der Abschreckung dient, koste es, was es wolle“, urteilt Kambiz Ghawami, Vorsitzender des deutschen Komitees des World University Service in Wiesbaden. Ghawami kritisiert, daß die Ausländerbehörden in die Hochschulautonomie eingreifen.

Ausländerbehörden sollen jetzt kontrollieren

Die Verordnung baut sogar für die wenigen neuen internationalen Studiengänge Hürden auf, ehe diese richtig angelaufen sind. Beispielsweise durch die Verpflichtung, daß die Ausländerbehörden über den Studienfortschritt wachen sollen. „Ich weiß gar nicht, nach welchen Kriterien die entscheiden“, wundert sich Professor Axel Hunger von den Duisburger Informationstechnikern. Er habe mit seinen Professoren-Kollegen die Prüfungsordnung für die neuen Kurse entworfen. „Die Studierenden daran zu messen, ist per definitionem unsere Aufgabe. Das kann gar niemand anderes.“

Besonders Studierende aus Entwicklungsländern trifft Kanthers Vorhaben, die Arbeitsmöglichkeiten zu begrenzen. Denn die Kosten des Studiums sind in den letzten Jahren gestiegen. Unter anderem weil die Sprachkurse nicht mehr von den Unis, sondern teuren Privatinstituten durchgeführt werden. „Studierende, deren Eltern selbst als Beamte oder Angestellte nur 150 bis 200 Mark verdienen, konnten ihr Studium nur erfolgreich abschließen, weil sie während des Studiums gearbeitet haben“, sagt Fritz Knacke vom „Verein zur Förderung ausländischer Studenten“ in Dortmund. „Diese Gruppe wird in Zukunft ausgeschlossen.“

Dies scheint das Innenministerium wenig zu stören. Gegenüber der taz sagte Kanther-Sprecher Detlef Dauke, Ziel des Entwurfs sei es, „daß das Studium nicht mißbraucht wird, um illegal in die Bundesrepublik einzureisen“.

Minuspunkt: Keine internationalen Abschlüsse

Engagierte Studienbetreuer wie Knacke stören sich besonders am Grundtenor der Kanther-Verordnung. Professor Hunger, gerade aus Indoniesen und Singapur zurückgekehrt, brachte „massiv Klagen“ von den dortigen Studieninteressierten mit: über den Bürokratismus von der Erteilung der Visa bis zur Immatrikulation selbst; über die in Deutschland noch kaum angebotenen internationalen Abschlüsse wie Bacchelor oder Master. Die Kanther-Verordnung verbessert keinen dieser Aspekte, im Gegenteil. „Wenn das Wirklichkeit wird“, seufzt Hunger, „dann weiß ich nicht, wer sich aus dem Ausland überhaupt noch für uns interessiert.“

Der „freie zusammenschluß von studentInnenschaften“, eine Art studentischer Oberasta aller Unis, kommentiert die Pläne Kanthers zynisch: Außer reichen Upper- class-Studis käme kaum einer mehr zum Zug. Das Kanther-Papier ließe sich fast als „ethnische Säuberung an deutschen Hochschulen“ bezeichnen. Matthias Fink, Christian Füller

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