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Skeptisches Resümee nach dem Start

■ Quo vadis Cannabis: Drohende Prämienkürzung und eine verfehlte Beihilferegelung verheißen der jungen Hanfwirtschaft schwere Zeiten

1996 erreichte der Hanfanbau in Deutschland mit 560 Landwirten eine Fläche von 1.400 Hektar. Eine adäquate Verarbeitung war mit einigen Ausnahmen nicht gesichert, Abnahmeverträge mit Verarbeitern wurden kaum geschlossen. Insgesamt sind die Absatzwege für Hanfrohstoffe noch nicht eröffnet, trotzdem schnellt in diesem Jahr die Anbaufläche auf 2.800 Hektar. Diskussionen aus Brüssel verheißen wenig Erfreuliches: Die Ernteregelung bleibt bestehen, und die Prämie soll gekürzt und an Abnahmeverträge gekoppelt werden.

Die vergangene Ernte war aufgrund der Witterungsbedingungen die schwierigste seit vielen Jahren. Einer späten Frühjahrsentwicklung folgte in vielen Regionen ein verregneter Sommer, wodurch auch die Ernte erst sehr spät Ende Oktober erfolgte. Zu diesen Zeiten herrschte in vielen Anbaugebieten Regenwetter. Der späte Erntetermin wurde durch die Beihilferegelung vorgegeben, da die Ernte erst nach Abreife von 50 Prozent der Samen erfolgen darf. Diese Regelung wirkt sich qualitäts- und ertragsmindernd aus und bevorzugt die südlichen EU-Staaten. Doch auch 1997 wird diese Regelung gelten, da sich Deutschland und die Niederlande auf europäischer Ebene mit einer Änderung nicht durchsetzen konnten.

Während die Ernte kaum Probleme aufwarf, sind die Verarbeitungsmöglichkeiten für Hanfrohstoffe gering. Das niederländische Unternehmen HempFlax arbeitet seit 1992 an einem umfassenden Hanf-Verwertungskonzept. 1996 wurden im Auftrag von Hempflax in den Niederlanden und Deutschland insgesamt 1.400 Hektar Hanf angebaut. Im Konzept von Hempflax spielt die Verwertung der Schäben eine bedeutende Rolle, denn sie machen immerhin zwei Drittel des Hanfstrohs aus und können bei effektiver Vermarktung bis zur Hälfte des Bruttoerlöses bringen.

Im Tierstreubereich hat sich in den Niederlanden eine große Nachfrage nach Hanfschäben entwickelt, da sie etwa viermal saugfähiger als Stroh sind. Anfang 1997 hat Hempflax eine Partnerschaft mit der chemischen Bleicherei in Ortrand geschlossen, in der Zellstoffverarbeitung.

In Deutschland verfolgt die Badische Naturfaseraufbereitung ein ähnliches Konzept, wobei vor allem die Fahrzeug- und Baustoffindustrie als Abnehmer anvisiert wird. Die Betreiber beziehen das Hanfstroh aus regionalem Vertragsanbau, wobei die Kapazität der Anlage die Ernte einer Fläche von 1.000 Hektar verarbeitet.

Auf europäischer Ebene wird bereits die Fortsetzung der Beihilferegelung für Hanf und Flachs diskutiert. Ziel ist es, den „Prämienjägern“ das Handwerk zu legen, die Flachs oder Hanf anbauen und keiner Nutzung zuführen. Besondere Sorge macht der Faserflachsanbau, der vor allem in Großbritannien und Spanien stark expandiert. Erste Ergebnisse sind inzwischen zu vermelden: In diesem Jahr wird die Beihilfe nur noch gewährt, wenn konkrete Abnahmeverträge existieren. Eine ähnlich lautende Regelung steht dem Hanfanbau für 1998 ins Haus.

Inzwischen ist zwar eine Flut von Anbaudaten und Analysen über den Hanf veröffentlicht, eine mangelnde Koordination der Forschungsstellen untereinander ist ebenso feststellbar wie die bisher wenig zielgerichtete Entwicklung der Hanfverarbeitung und Vermarktung. Die Anfang 1997 veröffentlichte Hanf-Marktpotentialstudie schließt denn auch staatliche Förderung für den Hanf aus: „Im Ergebnis ist festzustellen, daß Hanf nur wenig zur Lösung bestehender agrar- und umweltpolitischer Probleme beitragen kann.“ Erstaunlich ist, daß die Bundesregierung bereits ohne Vorlage der Ergebnisse dieser Studie eine Unterstützung für den Hanf ablehnte. Auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen im Juli 1996 antwortete die Bundesregierung: „Der bisherige Verlauf des Marktes in Westeuropa zeigt, daß nur eine sehr geringe Nachfrage nach Hanf existiert. Eine gegebenenfalls steigende Nachfrage könnte problemlos und kostengünstig durch Produktionsausdehnung in anderen Ländern befriedigt werden.“ Frank Waskow

Der Autor ist Leiter der Abteilung Nachwachsende Rohstoffe im Katalyse Institut Köln.

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