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Die Wahl in Hamburg kann kein Test für den Bund sein, tönt es aus den Bonner Parteizentralen. Tatsächlich schauen jedoch alle gespannt auf die Hansestadt. Schließlich geht es um die Machtverhältnisse im Bundesrat und darum, ob man mit dem T

Die Wahl in Hamburg kann kein Test für den Bund sein, tönt es aus den Bonner Parteizentralen. Tatsächlich schauen jedoch alle gespannt auf die Hansestadt. Schließlich geht es um die Machtverhältnisse im Bundesrat und darum, ob man mit dem Thema Innere Sicherheit eine Wahl gewinnen kann. Am wichtigsten aber ist: In Hamburg sind wie in Bonn zwei Koalitionen möglich: Rot-Grün oder Rot-Schwarz.

Eine Wahl für Strategen

Der Experte winkt ab. Jede repräsentative Umfrage sei aufschlußreicher für das bundespolitische Klima als das Ergebnis von Wahlen in einem Stadtstaat wie Hamburg, sagt Matthias Jung von der Mannheimer Foschungsgruppe Wahlen: „Objektiv hat die Wahl keinen Signalcharakter.“

Objektiv vielleicht nicht – subjektiv aber eben schon. Alle Parteizentralen in Bonn außer derjenigen der PDS haben am Sonntag abend offenes Haus. Politiker und Journalisten werden den ersten Hochrechnungen gemeinsam entgegenfiebern. Und „natürlich werden viele in das Ergebnis der Wahlen etwas für die Bundestagswahlen hineininterpretieren“, meint Jürgen Trittin, Vorstandssprecher der Grünen. „Die Wahl bekommt ihre Bedeutung ja auch dadurch, daß dort Wahlkampfstrategien getestet wurden.“

In Hamburg stand die Innere Sicherheit im Mittelpunkt der Kampagne. Die SPD und ihr Bürgermeister Henning Voscherau haben dabei so konservative Positionen eingenommen, daß es für die CDU schwer geworden ist, in diesem traditionell von ihr besetzten Bereich noch eigene Akzente zu setzen. Die Wahl des Hauptthemas dürfte ein Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf gewesen sein: Da beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit derzeit keine Partei Erfolge vorweisen kann, wird nach Ausweichthemen gesucht.

Niederlagen nützen den parteiinternen Kritikern

Offiziell spielen in Bonn die Großen das Thema Hamburg klein: „Hamburg ist Hamburg. Henning Voscherau ist sehr wichtig und hat einen guten Wahlkampf geführt. Aber die Wahl hat keinen bundespolitischen Charakter“, erklärt eine SPD-Sprecherin. Ganz ähnlich äußert sich CDU-Generalsekretär Peter Hintze: „Die Hamburg-Wahl ist eine wichtige Wahl. Ihr Ergebnis gibt aber keinen Aufschluß über den möglichen Ausgang der Bundestagswahl 1998, da die Bedingungen in einem Stadtstaat mit denen im Bund nicht vergleichbar sind.“

Stadtstaat hin, Bonn her: Vor allem die Gewinner der Hamburger Wahl werden auf die Chance nicht verzichten, aus ihrem Sieg bundespolitisches Kapital zu schlagen. Wem jedoch der Kurs in der eigenen Partei nicht paßt, der kann eine Niederlage gut brauchen, um damit seine Kritik zu untermauern.

Grund zum Zittern hat vor allem die FDP. Umfragen zufolge werden die Liberalen trotz Staraufgebots im Wahlkampf an der Fünfprozenthürde scheitern. Generalsekretär Guido Westerwelle ficht das nicht an: „In Schleswig- Holstein lagen wir vor den Wahlen bei drei Prozent, und dann wurden es sechs.“

Es gibt FDP-Politiker, die glauben, daß eine Niederlage in Hamburg in der Bonner Parteizentrale eine neue Personal- und Kabinettsdiskussion entbrennen lassen würde. Westerwelle bestreitet das entschieden: „Wir kommen rein, und diese Debatten werden bei uns nicht geführt.“

Da spricht der Generalsekretär schon lieber von den Auswirkungen einer möglichen sozialliberalen Koalition in der Hansestadt auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Die Sozialdemokraten könnten dann zwar immer noch zustimmungspflichtige Gesetze verhindern, aber keinen Einspruch gegen andere Gesetze mehr einlegen. „Die Gestaltungsmehrheit für die SPD ist weg. Außerdem verändern sich durch eine sozialliberale Koalition auch die politischen Verhältnisse im Bundesrat.“

Auf den Bundesrat schauen auch die Grünen. Bei einem Bündnis zwischen der Hamburger GAL und der SPD „kommen wir dem Ziel näher, im Bundesrat eine wichtige Rolle zu spielen“, sagt Jürgen Trittin. „Wir sehen das doch am Beispiel Lauschangriff: Wenn SPD und CDU sich einigen, wächst für die demokratischen Grundrechte kein Gras mehr. Das geht aber nur mit einer Zweidrittelmehrheit. Hamburg wäre ein erster Schritt. Wenn Niedersachsen dann noch dazu käme, gäbe es eine Sperrminorität.“

Die CDU wird wohl auf jeden Fall dazugewinnen

Noch aber ist keineswegs ausgemacht, daß es in Hamburg eine rot- grüne Koalition geben wird. Hamburgs SPD-Bürgermeister Voscherau hat sich vor allem in den letzten Monaten um ein betont eigenständiges Profil bemüht. Vielleicht wählt Voscherau auch dann bei Koalitionsverhandlungen einen eigenen Weg, wenn sein Wunschpartner, die Hamburger Statt Partei, nicht in die Bürgerschaft einzieht. Ohne allzu große Rücksicht auf die Bundespartei.

Im Gespräch ist daher auch eine Große Koalition. Die aber könnte den sozialdemokratischen Spitzenpolitikern kaum gefallen. Die CDU in Hamburg ausgerechnet jetzt aus dem Schattendasein der ewigen Opposition zu befreien, wäre im Hinblick auf den gewünschten Machtwechsel in Bonn wenig hilfreich.

Die CDU wird sich am Sonntag wohl in jedem Falle über einen Stimmenzuwachs freuen können. Zwar haben auch Auftritte von Bundeskanzler Helmut Kohl und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber im Wahlkampf die CDU in den Prognosen nicht über magere 30 Prozent anheben können. Aber das ist immer noch ein Zuwachs von fünf Prozent gegenüber den verheerenden 25,1 Prozent vom letzten Mal. Generalsekretär Peter Hintze legt die Latte allerdings höher: „Wir wollen in Hamburg so stark zulegen, daß es keine Regierung ohne die CDU geben kann.“ Das ist wohl das mindeste, was sich die Christdemokraten 1998 auch im Bund erhoffen. Bettina Gaus, Bonn

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