: Wilde Rodung im Naturschutzgesetz
■ „Rechtsvorschrift überflüssig“: Die Umweltverwaltung will Umweltverträglichkeitsprüfung aus dem Waldgesetz streichen
Die Umweltverwaltung will mit der Säge einem wichtigen Passus des Landeswaldgesetzes zu Leibe rücken: Künftig soll bei der Rodung oder Umwandlung von Waldstücken keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mehr nötig sein. Das geht aus einer Beschlußvorlage hervor, die die Verwaltung dem Abgeordnetenhaus zur Beschlußfassung für die nächste Woche zugeleitet hat. Während die Verwaltung argumentiert, mit dem Wegfall der Vorschrift werde nur der Paragraphendschungel gelichtet, bezeichnen Umweltschützer den Schritt als Waldfrevel.
Paragraph 5 des Waldgesetzes besagt unter anderem: „Die Rodungs- oder Umwandlungsgenehmigung ist in einem Verfahren zu erteilen, das den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht.“ Dieser Passus soll wegfallen, weil er laut Umweltverwaltung zu den „überflüssigen Rechtsvorschriften“ gehört, nach denen die Justizverwaltung regelmäßig den Gesetzesapparat durchforstet. Bei einem Eingriff in den Wald gelte nämlich ohnehin die „Eingriffsregelung“, meint Christian Muhs von der Umweltverwaltung. Diese Regelung schreibe vor, daß vor der Genehmigung einer Maßnahme deren Auswirkungen auf die Umwelt abgewogen und Konsequenzen bedacht würden. Außerdem lege die Eingriffsregelung die Ausgleichsmaßnahmen fest und gehe insofern über die UVP hinaus.
Der grüne Umweltpolitiker Hartwig Berger, dem die geplante Abschaffung der Regelung unter 46 anderen Punkten auf zwei engbedruckten Seiten aufgefallen war, ist anderer Meinung. „Die UVP ist als Hürde gegen Waldzerstörungen sehr wichtig, weil sie neben der Prüfung der Belastung auch die Folgewirkungen der Zersiedlung im verbleibenden Wald einschließt.“ Außerdem schließe sie unabhängige Gutachter und eine öffentliche Beteiligung ein.
Bergers Kritik geht aber noch weiter: Der Plan sei „antieuropäisch und ein glatter Bruch des Berliner Naturschutzrechtes“. Das Naturschutzgesetz sieht in Paragraph 39a nämlich vor, daß bei der „Vorbereitung von Vorschriften, deren Erlaß die Belange des Naturschutzes berührt“, die anerkannten Naturschutzverbände anzuhören sind. Doch die Naturschutzverbände wissen bisher von dem Vorstoß der Verwaltung offiziell nichts: „Uns hat man nicht gefragt“, meint Waltraud Linke von der „Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutzverbände“ (BLN), dem Dachverband der Umweltclubs. In der Tat seien die Verbände nicht befaßt worden, bestätigt Muhs: „Der Wegfall der Regelung hat keine Nachteile für den Naturschutz, die Eingriffsregelung ist im Gegenteil präziser und verbindlicher als die UVP.“
Ärger könnte die Abschaffung der Regelung auch mit der EU einbringen, denn am 3. März dieses Jahres hat die Europäische Union in der „Richtlinie 97/11/EG“ die Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfugnen in den Mitgliedsländern verbindlich geregelt. Demnach muß auch bei „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzung“ grundsätzlich eine UVP eingeführt werden, wird aus dem zuständigen Referat des Umweltbundesamtes bestätigt. Die Eingriffsregelung sei nicht schlecht, aber die UVP müsse sie ergänzen.
Die EU-Richtlinie muß allerdings erst im März 1999 in nationales Recht umgesetzt werden. Die Umweltbehörde, die die Vorschrift nach Aussagen von Muhs bereits seit zwei Jahren auf der Abschußliste zu stehen hat, könnte sie also jetzt zur Rodung freigeben – und die UVP käme dann in eineinhalb Jahren als Bundesrecht wieder. Ob es zu dieser Streichung der Norm vor ihrer Wiedereinführung kommt, soll jetzt Umweltsenator Peter Strieder (SPD) „politisch entscheiden“. Bernhard Pötter
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