: Gegenwind für eine Branche
Windkraft-Beschäftigte sorgen sich wegen Novellierung der Stromeinspeisung. Auch Arbeitsplätze bei Zulieferern sind auf der Kippe ■ Aus Köln Michael Franken
Heike Beermann ist Geschäftsführerin der Firma Hellwig in Köln. „Bei uns wird zur Zeit der letzte Auftrag für die Firma Fuhrländer abgewickelt“, erklärt die junge Unternehmerin. Seit drei Jahren fertigen zehn Mitarbeiter Gondelverkleidungen für den Windkraftanlagen-Hersteller aus dem Westerwald. 40 Prozent der Produktionskapazitäten kann Hellwig mit den Aufträgen bereits auslasten. Doch die Zukunft sieht nicht rosig aus. „Investoren, Banken und Hersteller von Windkraftanlagen sind verunsichert. Wir als Zulieferer spüren das sofort“, sagt Heike Beermann. Wenn in den nächsten Wochen Anschlußaufträge ausbleiben, stehen bei Hellwig Entlassungen an.
Kein Einzelfall, glaubt Norbert Allnoch. Der Energieexperte der Universität Münster hat im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums eine Studie erstellt. Danach hat vor allem die Zulieferindustrie, insbesondere die Stahl- und Maschinenbaubranche, an Rhein und Ruhr vom Windkraftboom der vergangenen Jahre profitiert. Knapp 1.500 Arbeitsplätze sind neu geschaffen worden. Der Umsatz der rund 280 befragten Unternehmen machte 1996 rund 370 Millionen Mark aus. „Wenn jetzt die Stromeinspeisevergütung gekappt wird, dann stehen bei vielen Unternehmen Entlassungen an“, sagt Allnoch.
Wolf Stadler müßte die Belegschaft von 270 auf etwa 200 abbauen. Auch der Geschäftsführer der Firma Jahnel-Kestermann aus Bochum ist sauer. Seit gut fünf Jahren beliefert der Getriebeproduzent nahezu alle renommierten Windkraftanlagenbauer. Dadurch hat sich der Betrieb aus seiner Abhängigkeit als Zulieferer der Ruhrkohle AG lösen können. 30 Prozent des Forschungsetats steckt die Firma in die Verbesserung ihrer Windkraftgetriebe. Tonnenschwere Stahlkolosse, die bereits in über 1.500 Windmühlen weltweit laufen. Ein Blick in die Produktion zeigt, daß es sich bei diesen Hochleistungsgetrieben um echte High-Tech-Produkte handelt. Bis vor wenigen Monaten hat das Traditionsunternehmen noch an eine Ausweitung der Fertigung gedacht. Heute drosselt die Geschäftsführung das Tempo. „Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, was aus dem Stromeinspeisegesetz wird und wie es weitergeht, wenn sich der Vergütungsrahmen verändert“, meint Stadler.
Nach Angaben der Bundesverbandes WindEnergie (BWE) könnten sogar 80.000 Arbeitsplätze in den nächsten 20 Jahren dauerhaft entstehen. Vorausgesetzt, daß alles bei der alten Regelung bleibt. Seit dem 1. Januar 1991 sind Strommultis wie RWE oder PreussenElektra verpflichtet, mindestens 17,15 Pfennig pro erzeugter Kilowattstunde an die Windmüller zu zahlen. Soweit die alte Fassung des Stromeinspeisegesetzes. Künftig soll diese Vergütung nach einem Vorschlag des wirtschaftspolitischen Sprechers der CDU/CSU, Gunnar Uldall, zeitlich und mengenmäßig begrenzt werden. Uldalls Vorschlag: Windstrom aus Anlagen, die schon am Netz sind, soll so lange mit 17 Pfennig vergütet werden, bis die Mühlen 25.000 Vollaststunden erreicht haben. Für Windräder, die 1998 und 1999 ans Netz gehen, sinkt dann die Höchstfördermenge auf 22.500 Stunden. Und ab dem Jahr 2000 werden nur noch 20.000 Stunden gefördert, und zwar mit 16 Pfennig.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat sich im aktuellen Streit klar auf die Seite der Windlobby geschlagen. Der VDMA plädiert für einen Ausbau der Windkraft von heute 1.800 Megawatt auf künftig 10.000 Megawatt. Der Unternehmerverband beruft sich bei seinen Vorschlägen auf ein Gutachten des Stuttgarter Instituts Fichtner Development Engineering. Danach können mit einem 10.000-Megawatt-Programm die klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen aus der Stromerzeugung bis zum Jahr 2010 um 15 bis 24 Prozent vermindert werden.
Die Maschinenbauer sind damit auf Konfrontationskurs zum Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gegangen. Der BDhl und auch der DIHT wollen die alte Stromeinspeisevergütung kippen. Der Ökostrom aus den Windmühlen müsse sich dem Wettbewerb stellen. Den in der Vereinigung der Deutschen Elektrizitätswerke (VDEW) zusammengeschlossenen Stromkonzernen geht der Uldall-Vorschlag nicht weit genug. Sie wollen den Windstrom in Höhe ihrer Kosten aus der konventionellen Stromerzeugung vergüten, mit allenfalls neun Pfennig pro Kilowattstunde.
Der Windanlagenhersteller Vestas aus Flensburg hat unterdessen angekündigt, die ganze Produktion nach Dänemark zu verlegen, wenn die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums umgesetzt würden. Vestas-Geschäftsführer Volker Friedrichsen spricht von einem Skandal. „Private Investoren haben mehrere Milliarden in die Windkraft investiert, die fühlen sich jetzt verschaukelt.“
Heike Beermann wäre schon heute froh, wenn sie mit ihrer kleinen Firma in Kopenhagen und nicht in Köln beheimatet wäre. Von dänischen Verhältnissen in Sachen Windkraft träumt sie.
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