■ DVU-Erfolge in den Bezirken: Keine Entwarnung
Vierzig Minuten vor Mitternacht kam Freude auf bei dem, was von der SPD-Wahlparty übrig war. „Die DVU erhält 4,97 Prozent der Stimmen“, verkündete Landeswahlleiter Wolfgang Prill. Keine Rechtsextremen in der Bürgerschaft also. Klatschen, Anstoßen mit dem letzten Sekt – aber kein Grund zur Entwarnung. Denn Abgeordnete der Deutschen Volksunion (DVU) sitzen künftig in vier der sieben Hamburger Bezirksversammlungen. „Das ist ein phantastischer Erfolg“, schwärmte DVU-Bundesvorsitzender Gerhard Frey im Hamburger Congreß-Centrum – auch wenn seine Partei vor allem den ebenfalls rechtsextremen Reps Stimmen abgejagt hat.
Nun hockt die DVU in den Bezirksversammlungen Mitte und Harburg, wo in den vergangenen vier Jahren an ihrer Stelle die Reps saßen. Außerdem zieht die DVU wieder in Bergedorf und erstmals in das Parlament von Wandsbek ein. Vier sozial gebeutelte Bezirke, die sich rechte Problemlösungen erhoffen. In Hamburg- Mitte erreichte die DVU mit 8,5 Prozent ihr bestes Ergebnis – in dem Bezirk mit den Stadtteilen St. Pauli und St. Georg, mit der offenen Drogenszene, mit vielen Einwanderern und Sozialhilfeempfängern.
Im Arbeiterviertel Hamm hat rund jeder zehnte die DVU gewählt. 11,3 Prozent bekam die Partei in der ehemaligen SPD-Hochburg, die außer für den Straßenstrich für nichts bekannt ist. „Rechts wählen bedeutet, sich bedroht und ausgegrenzt zu fühlen“, sagt Sozialrechtsprofessor Wolfgang Schütte. Wie in den Großwohnsiedlungen Kirchdorf-Süd und Steilshoop. Und in den Außenbezirken Harburg und Bergedorf, wo die DVU schon seit vier Jahren mitmischt. In diesen Stadtteilen bröckelt gleichzeitig die Liebe zu den Sozialdemokraten.
Währenddessen haben sich die beiden rechtsextremen Parteien gegenseitig Stimmen abgejagt; die DVU ist stark, weil die Reps WählerInnen verloren haben. Denn insgesamt haben nicht mehr HamburgerInnen fremdenfeindlich gewählt als 1993. Der Grund für den Umschwung von rechts nach rechts? „Die Volksunion hat mehr Werbung gemacht“, vermutet Eckhard Großmann, Sozialpädagogik-Verwaltungsleiter an der Hamburger Fachhochschule. Während die Reps sich auf etwa 6.000 Poster beschränkten, verschickte die Volksunion Briefe, klebte Plakate und verschickte noch mehr Briefe.
Von den braunen Flecken abgesehen, unterscheidet sich die Zusammensetzung der Bezirksversammlungen jedoch nicht von der Bürgerschaft. Die Grün-Alternative Liste (GAL) bleibt überall drittstärkste Fraktion, meist mit rund 20 Prozent. Die FDP oder gar den Ex- HSV-Präsidenten Jürgen Hunke mit seiner Statt Partei wählte kaum jemand – vermutlich das Ende der „Partei ohne Programm“. Vielleicht verschwinden auch die Rechtsextremen schneller als gedacht von der Bezirksbühne. Denn wo immer DVU oder Reps 1993 in die Bezirksversammlungen einzogen, erfreuten sie durch Abwesenheit. Im sozialen Problembezirk Harburg löste sich die Rep-Fraktion gar nach einem halben Jahr auf. Judith Weber, Hamburg
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