Die Erotik der Landschaften

■ Die „Bilder“von Boris Becker dem Älteren in der Kunsthalle Bremerhaven

Wie erotisch Landschaften wirken können, wenn sie mit dem richtigen Blick festgehalten werden, hat kürzlich Anthony Minghella in seinem Film „Der englische Patient“vorgeführt. Da wurden die Sandwellen der Sahara zur Chiffre für die Hügel und Täler der Haut. Auch die sanft gefaltete Hügellandschaft des Fotografen Boris Becker besitzt erstaunlich erotische Kraft. Beckers Name ist kein Pseudonym. „Ich bin der Ältere“sagt der 36jährige Kölner, angesprochen auf den populären Namensvetter. Seine Landschaftsaufnahmen sind jetzt in Bremerhavens Kunsthalle zu sehen.

„Bilder“heißt die Ausstellung, ihr Titel ist Programm. Denn Beckers monumental vergrößerten Fotos (1,60m x 2,20m) strahlen bei aller technischen Präzision und Klarheit etwas gar nicht Fotografisches aus: So wie er mit der Großformatkamera auf die Landschaft blickt, blickt weniger ein Dokument zurück, als eine Fläche von dezent abgestuften Farben, von Schraffuren, geordneten und gegen den Strich gezogenen Linien.

„Wir können in die auf Augenhöhe gehängten Bilder hineingehen“, sagte Wulf Herzogenrath, Direktor der Bremer Kunsthalle, in seiner Eröffnungsrede, „denn es gibt in diesen Stoppelfeldern, Ackerfurchen, Wiesen und Gemüseanbauflächen einen Horizont.“Aber vielleicht stellt Becker mit dieser Verführung zur Perspektive eine Falle. Denn wer länger hinsieht und näher herangeht, blickt nur noch auf ein abstraktes Netz- und Gitterwerk aus Farben, Linien und Strichen.

Der Fotograf hat diese Bilder in den letzten zwei Jahren während eines Stipendiums der Villa Massimo vor allem in der Umgebung von Rom geschossen. Es sind keine Schnellschüsse, keine Momentaufnahmen, sondern genau konstruierte Landschaftsausschnitte. Das Ergebnis kann (soll?) als „schön“empfunden werden. Der Künstler betreibt ein gefährliches Spiel mit seinem Publikum. Er verführt zum ästhetisierenden Blick auf die Spuren menschlicher Arbeit, die hier nichts als Struktur und Form sind, das heißt Felder, die es außerhalb dieser Bilder gar nicht gibt. Die Reifenspuren auf Beckers Fotos führen auf eine Road to Nowhere. Der Sehnsuchtsruf deutscher Italienreisender findet hier kein Echo.

Hans Happel

bis 12. Oktober in der Kunsthalle Bremerhaven