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Für das Volk ist das Ausland zuständig

Auch fernab der Kriegsfront lebt Angolas Bevölkerung im Elend. Mit massiver Korruption hält die Regierung im endlosen Kampf gegen die Unita-Rebellen UNO und Hilfsorganisationen gefügig  ■ Aus Luanda Rupert Neudeck

In Angolas Hauptstadt Luanda herrscht ein schreiendes, brüllendes Elend. In allen möglichen Plätzen und Hintereingängen tummeln sich Banden von Kindern. Überall da, wo sich der Müll aufhäuft, kochen sie sich etwas vom Marktplatz Geklautes zusammen oder rauchen Klebstoff zur eigenen Betäubung.

Aber zugleich läßt es sich die Oberklasse prächtig gehen. Auf den Straßen herrscht ständig Verkehrsstau. Auf einer Insel vor der Hauptstadt im Meer befinden sich unerschwingliche Nobelrestaurants. Präsident Eduardo dos Santos läßt auf dem Diplomatenhügel hoch über der Stadt seiner Frau einen Palast bauen, mit bunkerträchtigem Beton. Die deutsche Botschaft richtet sich einen Vorbau mit Panzerglas ein, der Sicherheit wegen. Obwohl Deutschland gegenwärtig in Angola gar keinen Botschafter hat.

Angola ist potentiell reich: Öl, Diamanten, fruchtbares Ackerland im Überfluß. „Dieser Regierung quellen die Ölmilliarden wirklich aus den Ohren hinaus!“ wundert sich eine Diplomatin in Luanda. Aber bei der Bevölkerung kommt davon nichts an.

Die bis an die Zähne bewaffneten Elitepolizisten, genannt „Ninjas“, sausen immer mal wieder demonstrativ als Antiaufstandseinheit durch die Straßen. Das erfuhr der deutsch-angolanische Padre Konrad Lipscher, der in einem Vorort von Luanda, wo der Dreck die Abwassergräben zum Überlaufen bringt und die Pisse durch die Gassen zwischen den Elendshütten herunterläuft, einen Ausbildungsbetrieb für Jugendliche leitet. Mit den Jugendlichen verfertigte er Autoaufkleber mit dem Spruch „Wer kann mit fünf Millionen Kwanzas überleben?“ Das sind umgerechnet 40 Mark – der monatliche Mindestlohn. Als der Padre mal mit seinem solcherart beklebten Auto losfuhr, war er umringt von der Antiaufstandspolizei und kam ins Gefängnis. Der Staatsanwalt sagte ihm: Dieser Aufkleber wäre ja ein Aufruf zu einer Revolution. Und dazu bräuchte man eine Genehmigung!

Niemals war ja die alte, seit 1975 herrschende und lange Zeit moskauhörige MPLA gezwungen, sich selbstkritisch zu ihrer Vergangenheit zu äußern. Es gab ja als Alternative immer nur die kriegführende Rebellenbewegung Unita. Angola leidet unter der Unverantwortlichkeit zweier Herrscher – MPLA-Staatspräsident Eduardo dos Santos und Unita-Führer Jonas Savimbi.

Soeben hat Dos Santos seinen 55. Geburtstag gefeiert, und das Volk bekommt ein Geschenk: FESA – die neue Eduardo-dos- Santos-Stiftung, die alles tun soll, was eigentlich Regierungen tun: Krankenhäuser bauen, Schulen, Gesundheitszentren. Das Geld kommt aus der Privatschatulle des Präsidenten. Aber woher kommt das Geld in der Privatschatulle?

Für die einfache Bevölkerung sind in Angola eben nur regierungsunabhängige Organisationen zuständig, die kräftig ausgenommen werden. Die Regierung verlangt von ausländischen Hilfsorganisationen, daß sie vor der Einreise in ihrem Heimatland ein Arbeitsvisum für drei Monate beantragen. Das kann Monate dauern. Wenn man die Geduld verliert und erst mal mit Touristenvisum einreist, bringt das einen in die Illegalität.

So hat der Ingenieur Ingo Hoerl, der auf einer EU-finanzierten Straße voller Schlaglöcher vor der Stadt Lubango in die Hände der Polizei gerät, nur einen offiziellen Schrieb vorzuweisen, daß er auf dem Weg nach Luanda sei, um sein Arbeitsvisum abzuholen. „Macht nichts“, sagt der diensthabende Beamte und verlangt 500 US-Dollar ohne Quittung. Weil Hoerl nur 200 hat, muß er seine Schuhe und Benzin hergeben.

Ähnliches erlebt die UN-Mission, die theoretisch die Einhaltung des Friedensvertrages von 1994 überwachen soll. In Ondjiva, Hauptstadt der Provinz Cunene im Süden Angolas, sitzt die UN- Truppe völlig nutzlos herum. „Wir haben keine Gelegenheit, etwas in Erfahrung zu bringen, weil unsere Autos immer in der Reparatur sind“, erzählt der schwedische UN- Polizist C.J. Zander, der hier zusammen mit drei Kollegen aus Mali, Schweden und Simbabwe die UN-Beobachtereinheit leitet. Sie müssen ihre Visa alle zwei Monate erneuern lassen und die Pässe dafür nach Luanda schicken. Da das auch Wochen dauert, sind die UN- Leute immer wieder wochenlang illegal im Land. So macht man sich die UNO gefügig.

Was bedeuten da schon die UN- Sanktionen gegen die Unita, die am 30. September in Kraft treten sollen, weil der Bürgerkrieg fortdauert? Wie sollen die letzten 2.400 Blauhelme die Flugverbindungen der Unita unterbinden? Seitdem der Bürgerkrieg im Mai wieder losging, landen auf dem Flughafen der Unita-Buschhauptstadt Bailundo wieder nachts schwere Frachtflugzeuge voller Waffen. Herkunft unbekannt.

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