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Medien schaden Kindern

■ Experten kritisieren reißerischen Medienumgang mit Kindesmißbrauch

Berlin (AFP) – Zum Auftakt des Kongresses „Wege aus dem Labyrinth“ haben sich Experten gegen die Dramatisierung von Kindesmißbrauch in den Medien gewandt. Die Leiterin der Berliner Beratungsstelle „Kind im Zentrum“, Sigrid Richter-Unger, sagte, der „Rummel“ in der Öffentlichkeit werde dem Interesse der Kinder überhaupt nicht gerecht. Wie im Fall des Großprozesses von Worms lasse sich am Ende oft nicht mehr klären, was wirklich passiert sei. Die Münchner Psychologin Thea Bauriedl meinte, sie sei zwar froh, daß das Thema enttabuisiert werde. Das öffentliche Entsetzen kommentierte sie aber mit den Worten: „Wir lassen uns aufregen, um uns nicht aufregen zu müssen.“ Kindern würden durch die Medien die erforderlichen „geschützten Räumen verweigert, die sie nach traumatisierenden Erfahrungen brauchten“.

Bei dem Kongreß, der vom Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk bis Freitag abgehalten wird, soll der Umgang mit Tätern und Opfern des sexuellen Mißbrauchs im Mittelpunkt stehen. Richter-Unger betonte, durch das Kongreßmotto „Wege aus dem Labyrinth“ solle bereits deutlich gemacht werden, daß es nicht nur eine gültige Lösung gebe. Sie wies auch darauf hin, daß der Bereich des sexuellen Mißbrauchs von Jungen nach wie vor weniger im Blickfeld sei. Nach Angaben der Experten ist etwa jedes dritte Opfer eines Übergriffs, der bekannt wird, ein Junge. Der Psychologe Klaus-Jürgen Bruder machte aber darauf aufmerksam, daß die Barriere, über einen sexuellen Mißbrauch zu berichten, bei Jungen sehr viel größer als bei Mädchen sei. Ihnen falle es schwerer, sich einzugestehen, daß sie Opfer sind. Auch das Thema Frauen als Täter findet nach Angaben der Experten erst langsam mehr Beachtung.

Mit Blick auf die Möglichkeiten für Eltern, einem sexuellen Mißbrauch ihrer Kinder vorzubeugen, sagte Bauriedl, über das Thema Sexualität müsse „ernsthaft und mit Respekt“ gesprochen werden.

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