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Kompetenzwirrwarr um illegale Fleischimporte

■ EU, Bund und Länder schieben Schwarzen Peter hin und her. EU soll Ausfuhrverbot durchsetzen. Regierung in Kiel schließt verdächtigen Betrieb

Brüssel (taz) – Im Streit um die illegalen Rindfleischimporte aus Großbritannien kam es gestern zwischen den zuständigen Behörden zu einem regen Austausch von Vorwürfen. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer warf sowohl der EU-Kommission als auch den Veterinärbehörden der Bundesländer Versäumnisse vor.

Die schleswig-hosteinische Umweltstaatssekretärin Henriette Berg forderte die EU-Kommission auf, das britische Ausfuhrverbot endlich durchzusetzen. Die EU- Kommission schoß zurück, die Zuständigkeit für die Überwachung des Exportverbotes liege bei den Mitgliedsstaaten. Sie wies den Vorwurf zurück, Seehofer nicht rechtzeitig informiert zu haben. Die deutschen Behörden seien am 12. September über die eklatanten Mängel in den beanstandeten Betrieben unterrichtet worden.

Die EU-Kommission hatte nach einer Inspektion vom 8. bis 12. September die vorläufige Schließung eines Fleischverarbeitungsbetriebes in Kaltenkirchen bei Hamburg gefordert und schärfere Kontrollen bei zwei Kühlhäusern in Bochum und Rostock verlangt. Vor allem bei der Firma Nordland in Kaltenkirchen habe sich der Verdacht erhärtet, daß dort illegal eingeführtes Rindfleisch aus Großbritannien umdeklariert und nach Rußland weiterverkauft worden sei.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft, die seit vergangener Woche ermittelt, fand den Verdacht bestätigt, daß mindestens 440 Tonnen Rindfleisch mit gefälschten Herkunftsstempeln ausgestattet und nach Osteuropa weiterverkauft worden waren. Weitere 116 Tonnen sollen in einem Betrieb in Bochum zwischengelagert und dann zu Wurstwaren verarbeitet worden sein. Die EU-Kommission wies die deutschen Behörden am Montag darauf hin, daß in vergleichbaren Fällen in Belgien und Großbritannien die Betriebe geschlossen wurden. Bonn solle innerhalb einer Woche mitteilen, ob sie dieser Empfehlung nachkommen wolle.

Das Kieler Umweltministerium erklärte am Abend, man werde die Kaltenkirchener Firma Nordland am heutigen Donnerstag schließen. Das Ministerium wolle dem Unternehmen den „Widerruf der Zulassung“ zustellen, sagte ein Sprecher. Das komme einer Schließung gleich. Der grüne Europaabgeordnete und Mitglied im BSE-Untersuchungsausschuß, Graefe zu Baringdorf, erklärte: „Bei solchen Vorwürfen muß der Laden zugemacht werden.“ Baringdorf sieht das Versagen auf allen Ebenen. Die britischen Behörden würden erst seit Juli wirklich kontrollieren. „In dieser Situation müssen die deutschen Behörden ihre Veterinäre in höchster Alarmbereitschaft halten.“ Statt dessen müsse man feststellen, daß die deutschen Kontollen genauso schlampig seien wie in Großbritannien. Alois Berger

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